04 - Winnetou IV
Bekannte von uns. Nämlich der Halbindianer war Herr Okih-tschintscha, genannt Antonius Paper, und der Ganzindianer hatte sich uns als Mr. Evening vorgestellt, Agent für alles mögliche. Neben ihnen lagen ihre Flinten und einige geschossene Vögel. Sie schienen sich also auf einer Jagdpartie zu befinden.
Sie sprangen beide auf, als sie uns erkannten.
„Halloo, Halloo!“ rief Paper aus . „Das ist ja dieser ekelhafte Burton mit seinem blauen Boy! Also darum ritt der ‚Junge Adler‘ so schnell vorüber! – Er will sie einschmuggeln! Haltet sie auf! Sie dürfen nicht weiter! Ergreift sie! Nehmt sie gefangen!“ Diese Aufforderung war an die Indianer gerichtet. Mr. Evening aber fügte warnend hinzu:
„Nehmt euch aber in acht! Gewalttätige Menschen! Dieser Burton ist gewohnt, augenblicklich zuzuschlagen!“
Wir achteten nicht auf diese Rufe, sondern lenkten unsere Tiere nach dem Wasser und stiegen ab, um sie trinken zu lassen. Es war die Zeit dazu. Indem wir das taten, erstatteten unsere zwölf bisherigen Begleiter Bericht über uns. Wir hörten zwar nicht, was sie sagten, konnten uns aber sehr wohl denken, daß sie sich nicht in Lob und Preis über uns ergingen.
„Dieser Paper wird doch nicht etwa so töricht sein, wieder mit dir anzubinden!“ meinte das Herzle besorgt.
„Er wird es sehr wahrscheinlich!“ antwortete ich. „Derartige Menschen werden niemals klug!“
„Schlägst du wieder?“
„Nein“
„Gott sei Dank! Ich sehe das gar nicht gerne!“
„Hier ist ein anderer Ort. Da kann man sich auch anders wehren.“
Kaum hatte ich das gesagt, da kam der Genannte auf uns zugeschlingert, stellte sich grad vor mich hin und sagte:
„Heut rechnen wir ab, Mr. Burton, vollständig ab. Ihr seid mein Gefangener!“
Ich antwortete nicht.
„Habt Ihr es nicht gehört?“ fragte er. „Gäbe es hier Handschellen, so würde ich sie euch anlegen lassen. Denn solche Halunken – – –“
Er konnte den angefangenen Satz nicht vollenden, denn ich packte ihn mit beiden Händen oberhalb der Hüfte, trat mit ihm ganz nahe an das Wasser heran und schleuderte ihn, soweit ich konnte, in den hier ziemlich tiefen Fluß hinein.
„Hilfe, Hilfe!“ brüllte er noch in der Luft.
Dann sank er unter, kam aber schnell wieder zum Vorschein, begann wie ein Hund zu paddeln und wurde von der reißenden Strömung fortgetragen.
„Hilfe, Hilfe!“ schrie er weiter.
„Holt ihn heraus! Holt ihn heraus!“ rief William Evening, der Agent für alles. „Laßt ihn nicht ertrinken, laßt ihn nicht ertrinken!“
Die Indianer beeilten sich, dem im Wasser Treibenden zu folgen und ihn mit Hilfe ihrer Lanzen an das Ufer zu ziehen. Ich aber ging auf den Agenten zu, lächelte ihn ebenso verbindlich an, wie er mich am Nugget-tsil angelächelt hatte, machte ganz so, wie er dort, eine noch verbindlichere Verbeugung und sagte mit seinen eigenen, dortigen Worten:
„Wir sind in einer wichtigen Angelegenheit an diesem Platz gekommen. Wir glaubten, niemand hier zu finden. Eure Gegenwart ist uns störend.“
Er sah mich groß an.
„Ihr versteht mich doch?“ fragte ich ihn genauso, wie er mich gefragt hatte.
Da kam ihm die Einsicht. Er erinnerte sich der Szene und begann zu ahnen, daß ich jetzt im Begriffstand, den Spieß herumzudrehen.
„Gewiß“, antwortete er. „Es ist ja deutlich genug.“
„Nun?“
„Ihr wünschet, daß wir uns entfernen?“
„Ja.“
„Wann?“
„Sofort! Sonst helfe ich nach!“
Ich zog den Revolver. Zugleich nahm Pappermann den seinen aus der Tasche.
„Wir gehen; wir gehen!“ versicherte der Agent für alles sehr eindringlich und sehr schnell. „Da bringen sie Mr. Paper. Hoffentlich hat ihm der Schreck nicht die Kraft geraubt, auf das Pferd zu steigen!“
„Sollte dies der Fall sein, so bin ich sehr gern bereit, ihn sofort wieder stark zu machen. Wem gehört der Hut, der dort am Ast hängt?“
„Mr. Paper.“
„So paßt auf, was ich tue!“
Die Indianer hatten Herrn Okih-tschintscha aus dem Wasser gezogen. Er triefte. Er hatte, wie es schien, genug. Er beeilte sich, in das Innere des Blockhauses zu kommen. Noch hatte er es nicht erreicht, so hob ich den Revolver und zielte nach dem Hut. Ich traf. Paper erschrak so über den Schuß, daß er stehenblieb. Ich deutete nach der durchlöcherten Kopfbedeckung und sagte:
„Das war der Hut! Nun kommt der Mann, der mich arretieren wollte! Ich gebe Mr. Antonius Paper nur fünf Minuten Zeit. Hat er sich dann noch nicht davongemacht, so
Weitere Kostenlose Bücher