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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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in der Hand. Kein Zug seines Gesichtes verriet, was er dachte. Da sagte ich:
    „Tangua, der älteste Häuptling der Kiowa, ließ mir schreiben: ‚Hast Du Mut, so komm herüber nach dem Mount Winnetou! Meine einzige Kugel, die ich noch habe, sehnt sich nach Dir!‘ Ich bin gekommen. Hier sitze ich. Wo ist deine Kugel?“
    Während ich das sagte, ließ ich mir vom Herzle seine Medizin umhängen. Er öffnete die Augen, schaute sie an und sprach:
    „Ich dachte es! Auch die meinige ist da! Ich schieße nicht auf sie! Laß kommandieren! Ich verzichte auf meinen Schuß. Dich aber bitte ich: Gib mir nach deiner Minute eine Kugel in das Herz! Und bin ich tot, so leg mir meine Medizin in das Grab! Willst du das tun?“
    „Nein!“ antwortete ich.
    „So habe ich mich in dir geirrt. Ich hasse dich, wie ich nie einen andern Menschen haßte. Ich will deinen Tod. Ich würde alles tun, alles, alles, ihn herbeizuführen. Aber ich habe dich für einen ehrlichen Feind gehalten!“
    „Du irrst. Ich bin ehrlich, aber nicht dein Feind. Ich werde nicht auf dich schießen. Ich will nicht deinen Tod. Ich habe also nichts in dein Grab zu legen, auch nicht deine Medizin.“
    „Was hast du mit ihr vor? Was soll mit ihr geschehen? Willst du sie vernichten?“
    „Nein. Eure Medizinen gehören mir nicht. Ich behalte sie nicht. Aber wem ich sie gebe, das kann ich jetzt noch nicht sagen. Das werdet ihr selbst entscheiden.“
    „Wie selbst? Wir vier?“
    „Ja. Ich werde Euch prüfen. Seid ihr es wert, so bekommt ihr eure Medizinen wieder. Seid ihr es nicht wert, so übergebe ich sie Tatellah-Satah. Er ist der Bewahrer der Medizinen und wird sie seinen Sammlungen einverleiben, damit die Kinder Eurer Kindeskinder erfahren, was ihre Urväter für töricht böse Menschen waren. Also: Ich schenke dir dein Leben; aber ich schenke dir nicht deine Medizin. Verdiene sie dir! Ich habe gesprochen. Howgh!“
    Ich stand auf. Das Herzle ebenso. Da erhob sich auch Tatellah-Satah und verkündete laut:
    „Der Kampf ist zu Ende! Old Shatterhand hat gesiegt! Ein Sieg ohne Blut! Und darum ein zehnfacher Sieg!“
    Wir gingen zu unseren Pferden und stiegen auf. Doch ehe wir den Platz verließen, ritt ich noch mal zu Tangua hin und sprach zu ihm:
    „Ich bin der Freund von Tangua, dem Häuptling der Kiowa, ganz gleich, ob er mich haßt oder mich liebt. Aber um seinetwillen wünsche ich, daß er mir freundlicher gesinnt werde, als er es bis heute gewesen ist. Hat er mir hierüber nichts zu sagen?“
    „Ich hasse dich und werde dich hassen, ohne aufzuhören!“ antwortete er. „Ich werde dich verfolgen bis zu deinem Ende!“
    „Oder bis zu dem deinigen!“
    „Ganz gleich!“
    „So bitte ich dich, auch wieder nur um deinetwillen, wenigstens nicht mit dem Komitee zum Denkmal verbunden zu bleiben und nichts gegen die, welche es bekämpfen, zu unternehmen!“
    „Das verspreche ich nicht, sondern grad das Gegenteil!“
    „Ich sage dir, das führt zu deinem Verderben und zum Untergang deines Stammes!“
    Da richtete er sich so hoch auf, wie er konnte, nahm sein Gewehr zur Hand und rief in drohendem Ton:
    „Schweig! Und entferne dich! Wenn du das nicht sofort tust, jage ich dir beide Kugeln durch den Kopf!“
    „Wage es, das Gewehr nur anzuschlagen, so bist du eine Leiche!“ antwortete ich, auf Pappermann deutend, der schnell zu ihm getreten war und ihm den Lauf seines Revolvers vor die Nase hielt. „Erst habt ihr euch untereinander verbunden, um gegen das Denkmal zu sein, und nun gesellt ihr euch zu dem Komitee, um gegen dessen Gegner zu sein. Ist das eines Häuptlings würdig? Handelt so ein ehrlicher Mensch? Du willst mein Verderben; ich aber warne dich trotzdem in herzlicher Aufrichtigkeit: Hüte dich vor dem ‚Tal der Höhle‘ und vor allen Dingen vor der Höhle selbst!“
    Da duckte er sich zusammen wie eine Katze, fauchte mich mit flackernden Augen an und fragte:
    „Was ist mit der Höhle? Und was ist mit ihrem Tal?“
    „Frage dich selbst. Du bist mir einst entgegengetreten und hast es büßen müssen, durch eigene Schuld! Dein Leben ist das eines Krüppels gewesen, nicht das eines Häuptlings, durch eigene Schuld! Nun trittst du mir am Schluß dieses deines Lebens wieder entgegen, um Schuld zur Schuld zu häufen. Bedenke die Folgen! Du bist nicht Herr für dich! Die Folgen, welche deine Person treffen, magst du verantworten können; aber die Folgen, welche deinen Sohn, deine Familie und deinen Stamm treffen, wird Manitou dir vorhalten, wenn du in

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