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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lotrechten Linie zeigten, auf denen und in denen sich nach und nach ein kräftiger Baum- und Strauchwuchs nebst anderem Kräuter-, Stauden-, Gras- und Moosgrün angesammelt hatte. Auch der Boden des Kessels war mit grünender Vegetation bedeckt, doch machte ich in Beziehung auf diese Vegetation sofort zwei in die Augen fallende Beobachtungen. Nämlich es schien hier ein Pflanzenwuchs ursprünglich nicht beabsichtigt zu sein, denn es gab da einen vollständig sterilen Untergrund, und der mußte mit voller Berechnung hergeschafft worden sein, denn so weit das Auge reichte, gab es nur fruchtbares Land. Die Bäume, die da unten auf dem Grund des Kessels standen, hatten alle, so alt und so stark sie waren, keine Wipfel mehr. Und wo es noch welche gab, da waren sie vertrocknet. Das deutete darauf hin, daß sie sich nur von einer dünnen, angewehten Erdschicht nährten, mit den Wurzeln aber nicht in die Tiefe konnten oder dort keine Nahrung fanden. Und in der Tat, als ich später hinunterkam und nachschaute fand ich, daß so weit die Ellipse reichte, ihr ursprünglicher Boden so dicht, daß keine Pflanze einzudringen vermochten, mit starken Steinplatten belegt war, auf denen sich im Lauf der Zeit eine Schicht von Humuserde gebildet hatte, von welcher sich das später entstandene Baum- und Strauchwerk durch die Seitenwurzeln ernährte. Pfahlwurzeln gab es nicht. Daher die Verdorrung sämtlicher Wipfel!
    Wozu einst diese Belegung des Bodens mit Platten? Das war die erste Frage, die ein aufmerksamer und vorsichtiger Beobachter hier zu beantworten hatte.
    Die andere in die Augen fallende Beobachtung war die, daß ein Drittel dieser Vegetation vollständig unberührt zu sein schien, während man es den anderen beiden Dritteln gleich beim ersten Blick ansah, daß da Menschen verkehrt hatten, und zwar nicht allzu selten. Die Scheidelinie zwischen dem größeren, berührten Teil und dem kleineren, unberührten war sogar auffällig scharf gezogen. Es sah so aus, als ob ein strenges Verbot herrschte, dieses sehr dicht bewachsene Drittel der Ellipse zu betreten.
    Weshalb und zu welchem Zweck diese Unterscheidung? Das war die zweite Frage, der man nachzuspüren hatte, wenn man den Anspruch erhob, für einen scharfen und zuverlässigen Beobachter zu gelten.
    Und nun kommt die Hauptsache, die von allerhöchstem Interesse ist. Wenigstens war sie das für mich. Es gab nämlich auf dem sonst vollständig ebenen, ellipsenförmigen Boden des Felsenkessels zwei ziemlich bedeutende, künstlich hergestellte Erhöhungen, welche ganz das Aussehen hatten, als ob der Kessel einst in der Absicht hergestellt worden sei, ihn mit Wasser zu füllen und also eine Art von See zu bilden, aus dem die beiden Erhöhungen als Inseln hervorschauten. Im Lauf der Jahrhunderte hatte sich das zu- und abfließende Wasser so tief eingefressen, daß der Boden des Bassins erreicht und dieses einfach durch Auslaufen und späteres Versiegen des Wassers trocken geworden war.
    Diese Beobachtung an sich hätte weiter nichts ergeben, als daß in uralter Zeit hier Menschen vorhanden gewesen seien, welche in Beziehung auf ihre Bauwerke und infolgedessen auch anderweit bedeutend höher standen als die späteren Indianer, oder sagen wir richtiger, als die späteren Generationen. Aber diese beiden Erhöhungen – ich will dem Bild treu bleiben und sie Inseln nennen – hatten die höchst auffällige Eigentümlichkeit, daß sie in den zwei Brennpunkten der Ellipse lagen, und zwar ganz genau. Das konnte nicht Zufall sondern das mußte Berechnung sein. Da entstand nun sofort die Frage: Welches war der Zweck dieser Berechnung, das Fazit dieses Exempels? Etwas Gewöhnliches, Alltägliches jedenfalls nicht. Ich dachte an die schwierigen, astronomischen Berechnungen, welche dem Bau der ägyptischen Pyramiden zu Grunde liegen, an die noch unaufgeklärten Geheimnisse der Teokalli und anderer Tempelwerke aus früherer Zeit, doch bin ich weder Fachmann noch Gelehrter und darf es unmöglich wagen, mich auf so schwierige, wissenschaftlich Spekulationen einzulassen. Aber ein Gedanke kam mir doch, wenngleich die Aufrichtigkeit mich zwingt, zu gestehen, daß er mir bedeutend kühner erschien, als ein einfacher Westmann, der nur die Absicht verfolgt, auf seine Sicherheit bedacht zu sein, sich gestatten darf. Aber er stellte sich wieder und immer wieder ein; er packte mich fester und fester und ließ mich nicht wieder los. Es war der Gedanke an jene im Altertum oft auch baulich behandelte

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