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04 - Winnetou IV

04 - Winnetou IV

Titel: 04 - Winnetou IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sie war an den Gürtel genäht. Man sieht sehr deutlich die Stiche. Sie ist losgerissen worden, als man den Häuptling am Lasso über die Stufen emporzog oder als man ihm wieder herunterhalf. Dieser Fund ist außerordentlich wichtig!“
    „Allerdings, aber auch gefährlich. Wenn Kiktahan Schonka seinen Verlust bald bemerkt, kehrt er unbedingt nach hier zurück, um zu suchen. Bemerkt er ihn später, so weiß er freilich nicht genau, wo er die Medizin verloren hat, ob hier oder nachträglich unterwegs. Auf keinen Fall aber dürfen wir noch länger hier verweilen. Gehen wir!“
    Ich steckte die Medizin sorgfältig ein. Dann verließen wir den Platz und stiegen nach unserem Lager empor. Wir waren von dort aus so scharf beobachtet worden, daß Pappermann wußte, daß wir kamen. Er brachte uns die Pferde, damit wir nicht nötig hätten, durch das Wasser des Weihers zu waten.
    „Ist schnell gegangen, ungeheuer schnell!“ sagte er. „Kommen sie wieder?“
    „Nein, hoffentlich nicht“, antwortete ich.
    „Sonderbar! Man pflegt sonst oft tagelang zu beraten! Warum sind sie so schnell fort? Und habt Ihr etwas erlauscht?“
    „Wartet, bis wir drin bei meiner Frau sind! Die will dasselbe wissen!“
    Das war sehr richtig. Sie schaute uns, als wir kamen, so gespannt entgegen, daß ich es nicht über das Herz brachte, sie auch nur einen Augenblick warten zu lassen, sondern ihr sofort entgegenrief:
    „Gelungen! Alles gelungen!“
    „Wirklich – wirklich?“ fragte sie. – „Ja.“
    „So steig ab; setz dich her, und erzähle!“
    Dabei setzte sie sich auch schon selbst nieder und klopfte mit der Hand auf die Stelle neben sich, wo ich als gehorsamer Ehemann mich schleunigst niederzulassen hatte. Ich befolgte diesen Befehl und gab dem ‚Jungen Adler‘ einen Wink, nach der Höhe zu steigen und inzwischen Wache zu halten, damit ich, falls Kiktahan Schonka zurückkäme, es sofort erführe. Ich machte meinen Bericht so kurz wie möglich. Als ich mit ihm zu Ende war, sprang das Herzle in ihrer energischen, schnell entschlossenen Weise wieder auf und rief:
    „Also einpacken, einpacken! Wir müssen augenblicklich fort!“
    Damit griff sie auch schon nach Kochtopf und Kaffeemühle. Ich aber blieb sitzen und fragte:
    „Wohin?“
    „Den beiden Enters nach!“
    „Du allein?“
    „Allein? – Ich? – Wieso?“
    „Ja, wenn du fort willst, so mußt du das eben allein tun! Ich nämlich bleibe noch hier.“
    „Was gibt es hier noch zu tun?“
    „Nichts.“
    „Und da willst du bleiben?“ Sie war erstaunt. Sie wendete sich an Pappermann: „Nichts! Und doch will er bleiben! Versteht Ihr das, Mr. Pappermann?“
    „Wenigstens noch nicht ganz“, antwortete dieser. „Aber wenn er noch warten will, so hat er seine Gründe, und gegen diese wird wohl nichts zu machen sein!“
    „Gründe? Hm! Die hat er immer! Wenigstens ich habe ihn noch niemals ohne irgend einen Grund gesehen!“
    „Taugten sie etwas, oder taugten sie nichts?“ fragte der Alte.
    „Hm! Triftig waren sie fast immer!“
    „Na, also! Setzt Euch in Gottes Namen wieder nieder, und habt zu diesem Mann Vertrauen! Er weiß, was er will. Wir bleiben noch hier.“
    „Für wie lange?“
    „Wahrscheinlich bis morgen früh.“
    „Ist das wahr?“ fragte sie mich.
    „Ja“, nickte ich.
    „So willst du also die beiden Enters laufen lassen?“
    „Wenigstens für heut, aber nicht für länger. Ich kenne ja ihren Weg! Oder wünschest du, daß wir sie schon heut einholen und uns dann ganz unnütz mit ihnen schleppen? Ja, wir brauchen sie; sie werden in gewissen Dingen die Quellen sein, aus denen wir schöpfen; aber ich halte es trotzdem nicht für nötig, sie Tag und Nacht und immer und immer bei uns zu haben. Wenigstens mir wäre das lästig.“
    „Mir auch. Du hast Recht.“
    „Schön! Wir reiten also erst morgen früh. Es steht uns zu jeder Zeit frei, sie einzuholen.“
    Da war sie einverstanden. Wir brauchten nicht zu hetzen. Wir konnten uns in Muße auf den kommenden Ritt vorbereiten. Von den Indianern kam keiner zurück. Der ‚Wachende Hund‘ hatte also seinen Verlust noch nicht bemerkt. Wie groß dieser Verlust war, das weiß nur der zu ermessen, der über die Entstehung, die Bedeutung und den Wert einer indianischen ‚Medizin‘ unterrichtet ist. Die Folge wird zeigen, welche Wirkung das Abhandenkommen der beiden Hundepfötchen auf den alten Kiktahan Schonka äußerte.

VIERTES KAPITEL
    Am Nugget-tsil
    Wir hatten das ‚Ohr des Manitou‘ verlassen und

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