04 - Wohin die Zeit uns treibt
Durchsuchung des Raumes.
Es war eine alte Angewohnheit, die er sogar außerhalb des Dienstes befolgte, immer einige Kontrollzeichen zurückzulassen. Das Buch auf dem Nachttisch ragte noch einen halben Zentimeter über den Rand. Das Haar auf der Uberdecke des Bettes lag noch an der alten Stelle. Er zog die Ubergardinen vor. Dann setzte er sich aufs Bett und nahm den Telefonhörer. In perfektem Spanisch bestellte er Dinner und Kaffee. „Ich habe Ihnen ein Steak bestellt", meinte er, als er wieder auflegte. „Wir sind hier aber in Mexiko, ich würde also erst in einer Stunde damit rechnen. Setzen Sie sich."
Ihre Kleidungsstücke immer noch im Arm haltend, nahm sie im Sessel Platz.
„Hinter was sind die her?"
„Ich verstehe nicht."
„Sie haben Ihren Bruder. Warum will man Sie?"
„Vor ungefähr sechs Monaten habe ich mit Flynn am Projekt gearbeitet. Wir hatten den
entscheidenden Durchbruch." Sie ließ den Kopf gegen das Polster sinken. „Wir glaubten, einen Weg gefunden zu haben, die einzelne Zelle zu immunisieren. Verstehen Sie, bei einer Verstrahlung ist die Zelle der eigentlich betroffene Teil. Strahlen dringen wie Kugeln ins Zellgewebe und verursachen Beschädigungen in den Zellen. Wir haben an einer Formel gearbeitet, die innerhalb der betroffenen Zelle Molekularveränderungen verhindert. Auf diese Art könnten wir ..."
„Wirklich faszinierend, Doc. Aber ich will wissen, warum sie hinter Ihnen her sind."
In ihrem schläfrigen Zustand hätte sie die Forschungsergebnisse fast preisgegeben. Sie setzte sich aufrecht hin. „Ich habe die Aufzeichnungen über diesen Teil des Projektes mitgenommen, zurück ins Institut, um noch eingehender daran zu arbeiten. Ohne sie kann Flynn das Experiment nicht so einfach rekonstruieren."
„Sie sind also das fehlende Teil des Puzzles, um es einmal so zu sa- gen?"
„Ich habe die Informationen." Sie nuschelte, während sie die Augen schloss.
„Sie wollen mir weismachen, Sie tragen das Zeug mit sich herum?" Der Himmel möge ihn vor Amateuren retten. „Haben sie es gekriegt?"
„Nein, sie haben es nicht gekriegt, und ja, ich habe es. Entschuldigen Sie mich", murmelte sie und schlief ein.
Einen Augenblick lang musterte Terence sie einfach nur. Unter anderen Umständen hätte es ihn amüsiert, dass eine Frau, die er erst kurz kannte, mitten in der Unterhaltung im Sessel in seinem Hotelzimmer einschlief. Im Moment war sein Sinn für Humor nicht so ausgeprägt.
Sie war vor Erschöpfung blass wie der Tod. Ihr Haar war ein Feuerkranz, der Kraft und Leidenschaft verriet. Ihre Kleider lagen geballt in ihrem Schoß. Ihr Beutel war zerdrückt zwischen Hüfte und Ses-selseite. Terence stand auf, nahm ihre Sachen und warf sie aufs Bett. Gillian rührte sich nicht.
Er stieß eine Haarbürste und eine antike gehämmerte Silberpuderdose zur Seite. Ein kleines Taschenwörterbuch verriet ihm, dass sie kein Spanisch verstand. Ihr Scheckbuch war mit klarer Handschrift sauber geführt. Ihr Passfoto war besser als die meisten, doch es hatte die Eigensinnigkeit nicht einfangen können, für die er schon Zeuge gewesen war. Auf dem Foto trug sie das Haar offen, eine wilde Lockenfülle, die ihr auf die Schultern fiel.
Er hatte schon immer eine Schwäche für lange Haarmähnen bei Frauen gehabt.
Sie war vor siebenundzwanzig Jahren in Cork geboren worden, im Mai, und hatte die irische Staatsbürgerschaft behalten, obwohl ihre Wohnanschrift eine New Yorker war.
Terence schob den Pass zur Seite und griff nach ihrer Brieftasche. Sie könnte eine neue gebrauchen, entschied er, als er sie aufschlug. Im Kniff war das Leder schon glatt und dünn abgewetzt. Ihre Fahrer-laubnis musste bald erneuert werden, und auf dem Foto hatte sie den gleichen ernsten Ausdruck wie auf dem im Pass. Sie hatte dreihundert Dollar in bar und zweitausend als Reiseschecks. Er fand eine zu-sammengefaltete Einkaufsliste in der
Geldscheintasche und ein Parkticket.
Er sah sich ihre Fotos durch, die sie bei sich trug.
Auf einem Schwarz-Weiß-Bild war ein Mann mit einer Frau abgebildet. Nach der Kleidung zu urteilen, war es in den späten Fünfzigern aufgenommen. Die Frisur der Frau war adrett wie der Kragen und die Manschetten ihrer Bluse, aber ihr Lächeln war von einer natürlichen Herzlichkeit. Der Mann, stämmig, mit einem vollen Gesicht, hatte einen Arm um die Frau gelegt, sah aber sehr streng aus.
Terence fand ein Foto von Gillian im Overall und T-Shirt, den Kopf lachend zurückgeworfen, den Arm um denselben
Weitere Kostenlose Bücher