04 - Wohin die Zeit uns treibt
Profit ab, für al-Aziz eine Provision, und die Demokratie hat einen gewaltigen Schritt nach vorn gemacht."
Sie wusste, dass solche Dinge geschahen. Sie war in einem Land aufgewachsen, das durch Krieg geteilt war. Sie lebte in einem Land, in dem das Vertrauen durch geheime Geschäfte und politische Machenschaften hart strapaziert worden war. Aber weil es vorkam, war es nicht automatisch richtig.
„Es ist nicht gerecht."
„So ist die wirkliche Welt", gab er zurück. „Und die ist größtenteils nicht gerecht."
„Machst du es darum?" Impulsiv beugte sie sich vor. „Um die Dinge wieder ins rechte Lot zu rücken?"
Es hatte eine Zeit gegeben - anscheinend vor einem ganzen Leben -, als er idealistisch genug gewesen war, um an so etwas zu glauben. Doch den Glauben hatte er irgendwo vor langer Zeit verloren.
„Ich tue nur meinen Job, Gillian. Versuch nicht, einen Helden aus mir zu machen."
„Das ist mir nicht in den Sinn gekommen."
Schwer lag der Rauch von französischen und türkischen Tabaken in der Luft. Die Musik war leicht, der Alkohol gerade noch erträglich. Er fragte sich, wann ihm der Gedanke gekommen war, dass er zu viel Zeit an Orten wie diesem verbracht hatte. Fast hätte er laut gelacht. Er war sogar an einem Ort wie diesem geboren worden. Es gab Momente während des letzten Jahres, da hatte er gespürt, dass er herauswollte. Es war ein so drängendes Gefühl wie vor zwölf Jahren. Nur dass er diesmal nicht mehr einfach bloß den Daumen ausstrecken konnte.
„Terence?"
„Was?"
„Was wirst du tun, wenn du mit diesem Job aufhörst?"
„Da gibt es einen Ort auf den Kanarischen Inseln, wo man Früchte direkt vom Baum pflücken und in einer Hängematte mit einer schönen Frau schlafen kann. Das Wasser ist klar wie Glas, und die Fische springen einem in den Schoß." Er nahm einen großen Schluck. „Mit hunderttausend Dollar bin ich da ein König."
„Wenn du nicht vor Langeweile stirbst."
„Ich hatte genug Aufregung, die für die nächsten dreißig oder vierzig Jahre reicht." Er stieß sein Glas an ihres. „Ich werde mich amüsieren."
„André!"
Terence drehte sich auf seinem Stuhl um und fand seinen Mund in einem langen, feuchten Kuss gefangen. Ungefähr in der Mitte des Kusses dämmerte es ihm. Er konnte sich nur an eine Frau erinnern, die nach Treibhausblumen roch und wie ein Vampir küsste.
„Desirée." Terence strich ihr über den nackten Arm, während sie sich in seinen Schoß kuschelte.
„Immer noch in Casablanca?"
„Natürlich." Sie lachte kehlig und warf eine Mähne mitternachtschwarzer Haare zurück. „Ich bin jetzt eingestiegen hier im Club."
„Hochgekommen in der Welt."
„Aber ja." Sie hatte eine Haut wie eine Magnolie und ein Herz, das glücklich Gift verspritzen konnte.
Trotz allem hatte Terence eine distanzierte Zuneigung für sie. „Ich habe Amir geheiratet. Er ist hinten, sonst hätte er dir schon die Kehle durchgeschnitten, weil du mich anfasst."
„Nichts hat sich geändert, wie ich sehe."
„Du auch nicht." Munter Gillian ignorierend, fuhr Desirée mit den Fingerspitzen über Terences Gesicht. „O André, ich habe wochenlang darâuf gewartet, dass du zurückkommst."
„Stunden, wenn überhaupt."
„Bleibst du lange?"
„Ein paar Tage. Ich zeige meiner Freundin den Charme von Nordafrika."
Desirée blickte sich um, musterte Gillian von oben bis unten und übersah sie dann wieder
geflissentlich. „Es hat eine Zeit gegeben, als mein Charme dir reichte."
„Dein Charme war für eine Armee ausreichend."
Terence hob sei
nen Drink und hielt den Blick auf die Tür zum Hinterraum gerichtet. Er wusste, dass Desirée hinsichtlich Amir nicht übertrieb. „Ich hätte ein kleines Geschäft, ma belle. Lauschst du immer noch so gut an Schlüssellöchern, die in deiner Reichweite sind?"
„Für dich - und einen Preis."
„Flynn Fitzpatrick. Wissenschaftler. Ire mit einer kleinen Tochter. Wie viel wird es mich kosten herauszufinden, ob sie noch in Casablanca sind?"
„Für einen lieben alten Freund - fünftausend Francs."
Terence schob sie von seinem Schoß, bevor er den Geldclip hervorholte. „Hier ist die Hälfte. Als Ansporn."
Sie beugte sich herunter und schob das Geld in einen Schuh. „Es ist immer wieder ein Vergnügen, dich zu sehen, André."
„Und dich, Chérie." Er erhob sich und streifte mit den Lippen ihren Handrücken. „Grüße Amir nicht von mir."
Lachend schlängelte sich Desirée durch die Menge.
„Du hast faszinierende Freunde",
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