040 - Die Tochter der Hexe
sich an den Ladentisch lehnte und wartete.
„Der Kommissar kommt her“, erklärte Gisela.
„Pech“, sagte ich zu Bärmann. „Sie werden einiges zu erklären haben.“
„Es ist nichts im Vergleich zu dem, was dir bevorsteht“, antwortete er mit einem zynischen Lächeln. „Morgen bist du so gut wie tot.“
Gisela wurde blaß, und ich erschrak. Es lag an dem Ton, wie er es sagte, an der Überzeugung.
„Was wollen Sie damit sagen?“ rief ich, heftiger als beabsichtigt.
„So geht es allen, die sich uns in den Weg stellen“, erwiderte er.
„Wer ist uns?“ fragte ich aufgeregt.
Er gab keine Antwort. Er zog sich von uns zurück, kapselte sich ab. Unsere Fragen blieben unbeantwortet. Er sah ganz einfach durch uns hindurch – als wären wir gar nicht mehr vorhanden.
So blieb es, bis der Kommissar kam – müde und verärgert – mit einem Begleiter, der nicht weniger erbaut von diesem frühmorgendlichen Einsatz war.
„Verdammt, Bärmann!“ rief er, als er hereinstürmte. „Haben Sie nichts Besseres zu tun. als außerhalb der Dienstzeit hier herumzuschnüffeln?“
Bärmann wollte antworten, aber Pesch ließ ihn nicht zu Wort kommen.
„Und Sie?“ Er sah uns an. „Sie haben sich hier wohl schon für die Flitterwochen eingenistet!“
Es war zum erstenmal in dieser Nacht, daß Gis wieder etwas Farbe bekam. Sie blitzte den Kommissar wütend an.
Ich sagte: „Sie haben vollkommen recht. Also nehmen Sie den Störenfried hier mit. Er wird Ihnen eine Menge interessanter Dinge aus Bernheim erzählen können, wenn Sie ihm die Fragen nachdrücklich genug stellen. Er weiß sogar schon, daß ich morgen tot bin!“
Pesch starrte auf Bärmann. „Hat er das gesagt?“
„Allerdings. Und fühlen Sie sich nicht allzu außenstehend. Er droht es allen an, die ihnen in die Quere kommen. Ihnen sicher auch, wenn Sie zu neugierige Fragen stellen.“
„Wer ist ‚ihnen’?“
„Seine – Bernheimers Freunde vielleicht“, riet ich. „Nehmen Sie ihn mit. Uns gefällt er nicht besonders. Seine Freunde werden nicht viel erfreulicher sein. Das ist was für Ihre Flitterwochen, Kommissar.“
Er grinste, was ich nicht erwartet hatte. „Ihre Spur fängt an, mich zu interessieren, Fischer. Sie werden gelegentlich noch ein wenig mehr auspacken müssen.“
„Vielleicht“, antwortete ich müde. „Aber nicht vor Mittag. Es hat keinen Sinn, wenn Sie es versuchen. Ich werde den Hausmeister erschlagen und Klingel und Telefon abstellen. Gute Nacht!“
Er nahm den deutlichen Wink gelassen hin. Er winkte Bärmann. In der Tür wandte sich Bärmann plötzlich um und fragte: „Habt ihr es gefunden?“
Wir starrten ihn einen Augenblick überrascht an.
„N-nein“, stammelte Gisela, und das war ein Fehler.
„Wovon redet er?“ hakte Pesch ein.
„Von einem Buch“, erklärte ich resigniert, „in dem steht, wer Frau Kurtz umgebracht hat.“
Trotz der Müdigkeit schlief ich nur bis neun. Dann trieb mich die Rastlosigkeit hoch. Ich war froh, daß Gisela noch schlief. Sie war mit den Nerven am Ende gewesen und brauchte Ruhe mehr denn je. Ich befürchtete, daß es mit der Ruhe ziemlich vorbei war, wenn erst Pesch sich wieder meldete.
Ich fragte mich, was Bärmann ihm wohl erzählte, und ich fragte mich auch, welche Funktion Bärmann erfüllte. War er für den Tod der alten Dame verantwortlich? War er so etwas wie der verlängerte Rachearm der Bernheimer?
Pesch schien nichts Wichtiges erfahren zu haben, sonst hätte er sich bereits gemeldet. Ich traute ihm nicht so ganz zu, daß er nur Rücksicht auf uns nahm. Vielleicht war der Hausmeister auch bloß fortgegangen, und niemand hörte das Telefon. Um so besser! Ich brauchte ein wenig Zeit, um mir Klarheit zu verschaffen.
Ich hob Frau Kurtz’ Notizen auf, die neben Giselas Sofa lagen und begab mich in die Küche. Dort suchte ich nach Kaffee. Meine Laune wurde beträchtlich besser, als ich ihn fand. Bereits der Duft während des Filterns machte mich wach und vertrieb dieses laue Gefühl, das ich immer hatte, wenn ich nicht ausgeschlafen war.
Fünf Minuten später brauchte ich keinen Kaffee mehr, um aufzuwachen.
Die Aufzeichnungen genügten vollauf. Sie waren unglaublich!
Es war klar, daß die Frau gelitten hatte und daß ihr dieses Niederschreiben eine Linderung bedeutet hatte – vielleicht, weil sie dabei mit sich ins reine kam, oder weil es ihr einfach ein Bedürfnis war, ihren Kummer jemandem anzuvertrauen und niemanden hatte außer diesem Buch.
Sie mußte
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