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040 - Paris, Stadt der Sünde

Titel: 040 - Paris, Stadt der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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Skandal?
    Aber seine Vergangenheit war bedeutungslos für sie. Das war nicht ihre Welt.
    „Ich könnte mir vorstellen, dass Sie Ihren Tee normalerweise schwarz trinken“, fuhr Mrs Clarke fort. „Aber Sie brauchen eine kleine Stärkung, wie ich finde.“
    Die Haushälterin hatte recht. Seit etwa einem Jahr verzichtete Elinor auf Sahne und Zucker und behauptete, sie trinke ihren Tee lieber unverfälscht. In Wahrheit trank sie ihn gern so, wie Mrs Clarke ihn zubereitete. Aber in letzter Zeit war es ihr wichtiger, dass ihre Schwester genug zu essen und zu trinken bekam. Wenn sie sich Sahne und Zucker leisten konnten, waren diese kleinen Genüsse Lydia vorbehalten.
    Der Tee schmeckte himmlisch, Elinor nippte mit geschlossenen Augen an dem Göttertrank.
    „Ich bringe Ihnen eine zweite Decke“, erklärte die Haushälterin beflissen. „Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist. Aber es ist so lange her, dass ich mich mit einem netten englischen Mädchen unterhalten habe, dass ich aus dem Schwatzen gar nicht mehr herauskomme.“
    „Haben Sie manchmal Heimweh nach England?“, fragte Elinor eigentlich nur, um höflich zu sein.
    „Natürlich habe ich Heimweh, mein Kind. Aber ich könnte Master Francis niemals im Stich lassen. Jedenfalls nicht, bevor er zur Vernunft kommt und endlich heiratet.“
    „Wenn ich nicht irre, geht das Treiben dieses Satanischen Bundes schon seit vielen Jahren so“, sagte Elinor. „Vielleicht warten Sie vergeblich, dass Ihr Herr zur Vernunft kommt.“
    „Das ist alles nur dummes Zeug“, erklärte Mrs Clarke im Brustton der Überzeugung.
    „Greifen Sie zu, Liebes! Ich bin gleich wieder da.“
    Elinor konnte nicht widerstehen. Sie war so ausgehungert, dass sie die knusprigen Toastscheiben gierig verschlang, statt jeden Bissen bedächtig zu genießen.
    Das alles konnte nur ein Traum sein. Jeden Moment würde der Fürst der Finsternis wieder erscheinen und ihr etwas Schändliches antun. Es war ihr einerlei.
    Sie schloss die Augen wieder, die leere Tasse noch in der Hand. Eine alte Porzellantasse mit winzigen Haarrissen und abgesprungenen Stellen am Rand. Auch das wollte nicht zu den sonstigen Eindrücken vom Château passen, aber sie wollte nicht darüber nachdenken. Lieber wollte sie sich mit geschlossenen Augen in dieser fremden wundersamen Welt treiben lassen, einer heilen Märchenwelt, in der es keine geistig umnachtete Mutter gab, keine schutzbedürftige Schwester, keine Nanny und keinen alten Kutscher, für deren Lebensunterhalt sie sorgen musste, und erst recht keinen Francis Rohan.
    Sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde, hörte Schritte, spürte, wie ihr die Teetasse aus den schlaffen Fingern genommen wurde. Und sie wusste, dass sie die Augen öffnen und darauf bestehen musste, nach Hause gebracht zu werden zu Lydia, die angstvoll auf sie wartete. Aber ihr fehlte die Kraft dazu. Auf ein paar Stunden kam es nun auch nicht mehr an. Sie wollte nur ein wenig ruhen und erfrischt wieder aufwachen. Und alles würde sich zum Guten wenden. Ihre Mutter wäre in einem benommenen Dämmerzustand, und sie hätten wenigstens zwei Tage Ruhe vor einem nächsten Anfall. Nach ihren nächtlichen Ausflügen pflegte sie tagelang durchzuschlafen.
    Und Elinor müsste sich nur noch darum kümmern, wie sie an Geld kommen könnte, um ihre Schutzbefohlenen zu ernähren.
    Er nahm ihr die Teetasse aus der Hand und stellte sie unter Mrs Clarkes argwöhnischen Blicken auf das Tablett. Der einzige Mensch, der ihn wirklich kannte mit all seinen Fehlern, Eitelkeiten und seiner sündigen Zügellosigkeit. Und trotzdem liebte sie ihn wie eine vernarrte Mutter.
    Eigentlich war sie nicht wesentlich älter als er. Als Zwölfjährige war sie, damals noch Polly Siddons, in die Dienste der Familie genommen worden, und ihre erste Aufgabe bestand darin, den jüngsten Sohn unter ihre Fittiche zu nehmen. Francis war als kränkliches, übellauniges Kind zur Welt gekommen, das zu Jähzorn neigte, und die junge Polly musste mit ihm fertig werden, hatte es freilich schon damals verstanden, mit ihm umzugehen. Seitdem kümmerte sie sich um ihn und war ihm nach dem Debakel von 1745 nach Paris gefolgt. Nach Mr Clarkes Tod, ihrem ersten Ehemann, hatte sie einen Franzosen geheiratet, aber sie war und blieb für Francis und alle anderen Mrs Clarke. Sein Rettungsanker und sein Gewissen – wenn er denn auf ihre Ermahnungen hörte.
    „Und was gedenken Sie mit der jungen Dame zu tun?“, fragte sie streng. „Sie wissen genau, dass sie

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