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040 - Paris, Stadt der Sünde

Titel: 040 - Paris, Stadt der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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daran war nichts mehr zu ändern. Je früher sie starb, desto besser für ihre Familie, so bitter diese Erkenntnis auch sein mochte.
    Er könnte natürlich für ihr baldiges Ende sorgen. Während er auf dem Sofa ruhte, zog er diese Möglichkeit in Erwägung. Es gab kaum Verbindungen zwischen ihm und der alten Hexe, und er würde nicht in den Verdacht geraten, etwas mit ihrem Tod zu tun zu haben. Die Gäste, die ihre Anwesenheit in dieser Nacht bemerkt hatten, würden Stillschweigen darüber bewahren, um nicht zu riskieren, aus dem exklusiven Club der Sünder ausgeschlossen zu werden.
    Die Pariser Obrigkeit gab sich bekanntlich wenig Mühe, dubiose Mordfälle aufzuklären, wäre möglicherweise beflissener, wenn es sich um den Tod einer adeligen Emigrantin handelte, vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls kümmerten sich die Behörden nicht im Geringsten darum, was in der Villa des Comtes in der Rue Saint-Honoré oder in seinem Château am Rande der Stadt vor sich ging, aber bei diesen ausschweifenden Festen war ja auch bislang noch niemand zu Tode gekommen.
    Dennoch empfahl es sich, sich vorerst Zügel anzulegen. So elend Miss Elinor Harrimans Leben auch sein mochte, es war nicht seine Aufgabe, daran etwas zu ändern und das schlimmste Hindernis zu ihrem Glück aus der Welt zu schaffen.
    Es bestand natürlich auch die Aussicht, dass die alte tobsüchtige Furie Reading mit ihrem Gezeter so sehr reizte, dass er ihr den Garaus machte, indem er ihr seinen Dolch ins Herz jagte. Immerhin war sein bester Freund ein berüchtigter Heißsporn, der nicht lange zu fackeln pflegte.
    Wie dem auch sei, Rohan lag behaglich auf dem alten Sofa, im Begriff neben einer unberührten Unschuld einzuschlafen. Er lachte in sich hinein. Miss Harriman würde ihn dafür hassen, was die Sache nur noch vergnüglicher machte. Sie schliefen im gleichen Zimmer, keine drei Fußbreit voneinander entfernt, und darüber würde sie ihr ganzes Leben lang erzürnt sein.
    Mit diesem Gedanken schloss er die Augen und schlief ein, ein Lächeln auf den Lippen, Arglist im Herzen.
    Lydia Harriman war bereits im Morgengrauen auf und angekleidet, nachdem sie sich drei Stunden ruhelos im Bett hin und her gewälzt hatte. Das Verschwinden ihrer Mutter war an sich nichts Ungewöhnliches – Lady Caroline kam oft nächtelang nicht nach Hause, und kein Mensch konnte daran etwas ändern.
    Aber in letzter Zeit war es schlimmer mit ihr geworden. Ihr unverständliches Gestammel wurde immer häufiger mit derben Flüchen gewürzt, und dann trat dieses seltsam entrückte irre Flackern in ihre Augen, und niemand vermochte zu ihr durchzudringen. Ständig klagte sie über die Kälte, selbst wenn das Feuer im Kamin knisterte. Und wenn sie um sich schlug und Krämpfe bekam, musste sie ans Bett gebunden werden, um zu verhindern, dass sie sich selbst oder andere verletzte.
    In ihren Tobsuchtsanfällen war ihre Mutter unberechenbar, und Nanny Maude sperrte Messer und Scheren weg, um ein Unglück zu verhindern. Es gab Nächte, was Lydia niemandem gestehen würde, in denen sie hoffte, ihre Mutter würde nicht wieder von ihren Streifzügen heimkehren.
    Aber diesmal war Elinor ebenfalls verschwunden.
    Es war ein eiskalter grauer Morgen. Sie hatte den Ofen nur mit ein paar Holzscheiten geheizt. Elinor versuchte beharrlich, ihr die raue Wirklichkeit vorzuenthalten, und Lydia hatte aufgehört, mit ihr darüber zu streiten. Wenn Elinor sich mit dem Gedanken tröstete, Lydia wisse nicht über ihre erbärmlichen Lebensumstände Bescheid, wollte sie es dabei bewenden lassen. Elinor war seit jeher rechthaberisch gewesen, im Guten wie im Schlechten, und wollte partout nicht zulassen, dass Lydia einen Teil der Sorgenlast schulterte. Früher oder später würde sie zur Einsicht kommen, aber noch bestand ihre Schwester eisern darauf, so zu tun, als ahne Lydia nicht, wie es wirklich um die Familie bestellt war. Doch das war schon seit vielen Monaten eine Lüge.
    Sie hörte Geräusche aus der Küche und sprang erleichtert auf. Nanny kam ihr im Morgenmantel und mit Nachthaube entgegen, als Jacobs eintrat. Allein.
    „Wo sind die anderen, du alter Esel?“, fragte Nanny erbost, bevor Lydia den Mund aufmachen konnte.
    Der alte Mann ließ den Kopf hängen. „Wir verfolgten Lady Caroline bis an den Stadtrand direkt in die Höhle des Löwen.“ Er wandte sich an Lydia. „Ihre Schwester war nicht aufzuhalten, Miss. Sie ließ mich einfach stehen, bevor ich begriff, was sie vorhatte. Und mich ließen die

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