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040 - Paris, Stadt der Sünde

Titel: 040 - Paris, Stadt der Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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bequemeren Sessel vor dem Ofen zu überlassen.
    Er schüttelte den Kopf. „Nicht auf diese Weise. Wir wechseln die Plätze.“
    „Aber nein, ich bestehe darauf ...“ Bevor sie wusste, wie ihr geschah, warf er seinen Hut auf den zerkratzten Tisch, fasste sie an den Armen und hob sie hoch, als wiege sie nicht mehr als eine Feder, und setzte sie in den Sessel.
    „Essen Sie genug?“, fragte er stirnrunzelnd.
    Lydia dachte an die dünne Suppe, die Nanny seit einer Woche immer wieder mit Mehl und Wasser streckte, und ihr Magen zog sich zusammen. „Selbstverständlich“, antwortete sie pikiert.
    „Aber Sie wiegen nicht mehr als ein zehnjähriges Kind.“
    „Wie viele Kinder heben Sie denn hoch, Mr Reading?“, entgegnete sie spitz. „Oh, ich vergaß, der Fürst der Finsternis verspeist auch kleine Kinder.“
    „Das tut er nicht ...“, widersprach er gereizt. „Sie machen sich über mich lustig, nicht wahr, Miss Harriman?“
    „Nur ein bisschen“, gestand sie. „Wie unpassend. Diese Situation bietet keinen Anlass zu Scherzen. Da ich den Unterschied zwischen übler Nachrede und Wirklichkeit kenne, habe ich keinen Zweifel daran, dass der Comte de Giverney nichts weiter ist als ein zügelloser unmoralischer Hedonist.“

    Der Besucher nahm ihr gegenüber Platz, und sie hielt den Atem an in der Befürchtung, der wackelige Stuhl könne unter seinem Gewicht zusammenbrechen.
    Er knarrte zwar bedenklich, hielt aber stand.
    „Genau wie sein bester Freund“, erklärte er leichthin.
    „Tatsächlich?“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Ich bin noch nie einem zügellosen Hedonisten begegnet. Und ehrlich gestanden, bin ich ein wenig enttäuscht. Auf mich wirken Sie nicht wie ein Bonvivant mit einem ausschweifenden Lebenswandel.
    Möglicherweise haben Sie sich in letzter Zeit maßvoll verhalten.“
    „Wohl kaum“, murmelte er.
    Darauf wusste sie nichts zu sagen und wechselte das Thema. „Können Sie mir sagen, wo meine Schwester sich aufhält? Wieso ist sie nicht mit Ihnen zurückgekommen?“
    „Es war kein Platz in der Kutsche.“
    „Ach du liebe Zeit, ich vergaß. Hat meine Mutter in ihrer Raserei Schaden in dem Wagen angerichtet?“
    „Es ist nicht meine Kutsche. Und Rohan hat genügend Bedienstete, die den Schaden wieder beheben.“
    „Rohan?“, wiederholte sie.
    „Der Fürst der Finsternis. Comte de Giverney, Viscount Rohan“, erläuterte er.
    „Der Mann, in dessen Gewahrsam meine Schwester sich befindet.“
    „Er bringt sie unversehrt nach Hause. Francis verschwendet seine Zeit nicht mit prüden Unschuldslämmern. Es sei denn, das schäbige Äußere und die abweisende Art Ihrer Schwester wären nur eine Fassade.“
    Seine Worte hätten Lydia nicht kränken dürfen, dennoch zog sie das Tuch enger um die Schultern, um ihr eigenes schäbiges Äußeres zu verbergen. Sie trug Elinors alte Kleider auf, die eigentlich im Lumpensack landen müssten. Das war diesem vornehm gekleideten Herrn gewiss nicht entgangen, und bestimmt machte er sich insgeheim darüber lustig. „Ich fürchte, wir leben in bescheidenen Verhältnissen, Mr Reading“, erwiderte sie mit stolz gerecktem Kinn. „Wir warten auf Nachricht unseres Vaters, der sich sicherlich bereit erklären wird, uns in unserer misslichen Lage zu unterstützen. Bis dahin lässt sich nicht leugnen, dass unsere finanziellen Mittel begrenzt sind.“
    „Aha“, war alles, was er dazu zu sagen hatte.
    „Ich werde den Verdacht nicht los, Sie verheimlichen mir etwas, Mr Reading“, fuhr sie fort. „Oder beabsichtigen Sie, weitere geringschätzige Bemerkungen über meine verschlissene Kleidung loszuwerden?“
    „Ich fürchte, Sie sind so hübsch, dass mir Ihre Garderobe noch gar nicht aufgefallen ist, Miss Harriman. Ihre Schwester verfügt leider nicht über Ihre Schönheit.“
    „Wenn Sie glauben, mir mit solchen Worten zu schmeicheln, sind Sie im Irrtum“, entgegnete sie erbost. „Meine Schwester ist eine ungewöhnliche Frau, und nur oberflächliche Menschen sind nicht in der Lage, dies zu erkennen.“
    „Ich bin ausgesprochen oberflächlich, Miss Harriman. Sie bezaubern mich. Ihre Schwester jagt mir einen Schrecken ein.“

    „Gut“, sagte sie, bevor ihr bewusst wurde, wie er ihre Bemerkung auffassen könnte.
    „Ich meine, ich finde es gut, dass meine Schwester Ihnen einen Schrecken einjagt.
    Und ich wünsche mir von Herzen, dass mir das gleichfalls gelingt.“
    Er sah sie an. „Ehrlich gestanden, jagen auch Sie mir einen Schrecken ein, Miss Harriman,

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