040 - Paris, Stadt der Sünde
Korridor und spähte vorsichtig in verschiedene Räume. Eine Bibliothek, in der es nach edlem Leder und erlesenem Pfeifentabak roch, vorbei an einem eleganten kleinen Salon für die Dame des Hauses, der unbenutzt wirkte, einem Musikzimmer mit einem Pianoforte und einer vergoldeten Harfe. Am Ende des Korridors lag der Ballsaal, still und dunkel, und dahinter eine verschlossene Tür.
Sie legte das Ohr an die Tür. Alles war still. Wofür der Raum dahinter benutzt wurde, blieb ein Geheimnis.
Wohl oder übel musste sie die Treppe in die nächste Etage emporsteigen. Vielleicht hatte Roland sich geirrt, der Hausherr war abgereist, und sie streifte durch ein leeres Haus. Auf dem obersten Absatz angekommen, drang eine Stimme an ihr Ohr. Seine tiefe melodische Stimme, und sie wartete mit angehaltenem Atem auf eine weibliche Stimme.
Aber eine zweite männliche Stimme antwortete, zu undeutlich, um einzelne Worte zu verstehen. Sie trat aus dem Schatten und näherte sich der Tür, als der furchteinflößende Butler unvermutet aus einem Seitenflur um die Ecke bog, ein Silbertablett mit Karaffe und Gläsern in beiden Händen.
„Sie!“, entfuhr es dem Zerberus entrüstet, wobei er allerdings geistesgegenwärtig genug war, das Tablett nicht fallen zu lassen. Während er es auf einer Konsole abstellte, hatte sie bereits die Flucht ergriffen.
Aus einer halb geöffneten Tür drang Licht in den Korridor. Sie war ihrem Ziel nahe, als der Majordomus sie einholte und sie schmerzhaft an den Haaren zurückriss.
Elinor fuhr herum, biss ihn in die Hand und schlug ihm Lady Carltons Stiefelspitzen kräftig gegen das Schienbein. Sie hörte, wie ihr Kleid zerriss, als sie sich befreite, und dann schlitterte sie auf dem polierten Parkett ins Zimmer, wo sie von den verdutzten Blicken zweier Herren empfangen wurde.
9. KAPITEL
Eigentlich wirkte nur der Mann mit der Narbe verdutzt, während der teuflische Lord Rohan den Eindruck erweckte, er habe sie erwartet.
In malerischer Pose auf einem riesigen Bett mit goldenen Brokatbehängen ruhend, das wallende Lockenhaar über die Schultern drapiert, schien er, soweit sie es beurteilen konnte, völlig nackt zu sein unter der Seidendecke, die gerade mal seine Hüften bedeckte. Ihr blieb keine Zeit, darüber zu rätseln, was sich darunter verbarg, da ihr Verfolger hinter ihr ins Zimmer schlitterte.
Lord Rohan, der keinerlei Anstalten machte, seine Blößen zu bedecken, lächelte ihr entgegen. „Wieso diese entsetzte Miene, Charles? Es ist nur das reizende Püppchen von gestern Nacht. Wie du siehst, konnte sie es nicht ertragen, lange von mir getrennt zu sein. Habe ich dir eigentlich erzählt, dass wir zusammen geschlafen haben? Zweimal? Und es war mir ein angenehmes Vergnügen.“
Reading gab einen erstickten Laut von sich. „Angenehm?“
„Seine Lordschaft sagt wie gewöhnlich nicht die Wahrheit“, widersprach Elinor entrüstet. „Ich bin lediglich in seiner Anwesenheit eingeschlafen. Nicht jeder Mensch findet Ihren Freund so unterhaltsam wie augenscheinlich Sie.“
„Kannst du verstehen, was mich so sehr an ihr bezaubert, Reading?“, fragte er lächelnd. Und dann verhärteten sich seine Miene und seine Stimme. „Haben Sie Miss Harriman etwa beleidigt, Cavalle? Ich wäre sehr ungehalten, wenn Sie die Dame nicht mit äußerster Höflichkeit und Achtung behandelt hätten.“
Elinor warf einen Blick über die Schulter. Das Gesicht des Butlers hatte die Farbe von vergilbtem Pergament angenommen, und sie glaubte zu sehen, wie seine Knie zitterten.
„Ihr Butler hat mich selbstverständlich mit dem nötigen Respekt behandelt“, antwortete sie an seiner Stelle, da ihr der Mann leidtat. „Er hatte lediglich den Wunsch, mich anzukündigen, um Ihnen Gelegenheit zu geben, sich zu bedecken wie ein anständiger Christenmensch. Aber ich hatte es eilig und bin ihm zuvorgekommen.“
„Tatsächlich“, meinte Rohan gedehnt und glaubte ihr kein Wort. „Laufen Sie eigentlich ständig in zerrissenen Kleidern und wirrem Haar herum? Sie können gehen, Cavalle. Wir sprechen uns noch.“
„Sehr wohl, Monsieur le Comte“, antwortete der Diener unterwürfig.
Rohans blaue Augen fixierten die Besucherin. „Und wie in aller Welt kommen Sie darauf, ich könne ein anständiger Christ sein, mein Kind? Welch ein Affront!“
Elinor holte tief Atem, um sich zu beruhigen. „Man darf die Hoffnung nie aufgeben, Monsieur le Comte. Ich muss mit Ihnen sprechen.“
„Tun Sie sich keinen Zwang an, meine Teuerste. In
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