0400 - Jenseits-Melodie
sich verstohlen an den Längsseiten der Hecken entlangschob. Ein Feuer war entfacht worden. Es sollte den Körper aufnehmen und verbrennen. Nur Asche sollte zurückbleiben.
Die Träger mußten um eine der sorgfältig gestutzten Hecken herumgehen, bevor sie den kleinen Platz erreichten, auf dem das Feuer brannte. Holz lag bereit, um in die Flammen geschleudert zu werden.
Der Henker war stehengeblieben. Er hielt sein Schwert nach wie vor fest. Das Richtinstrument war sein einziger Freund. Auf das Schwert war Verlaß.
Noch immer rann Blut von der Klinge. Es bildete kleine Tropfenflecken auf dem hellen Kies neben dem Sack. Die Flammen züngelten nur noch flach über die bereits verkohlten Holzstücke.
Der Henker selbst schob Holz in das Feuer und schaute zu, wie die Rinde wegplatzte.
»Werft ihn in die Flammen!« befahl er den beiden Knechten.
Sie gehorchten, hoben den Sack an beiden Enden an, schleuderten ihn einmal zurück, dann wieder nach vorn und ließen gemeinsam los. Der Sack landete im Feuer, drückte mit seinem Gewicht den Holzhaufen zusammen und verursachte ein Funkengewitter.
Gierig griffen die heißen Zungen zu. Sie loderten, tanzten und krallten sich fest. Hitze wehte den wartenden Männern entgegen, die zuschauten, wie der Sack samt Inhalt verkohlte.
Die beiden Bediensteten standen so starr wie Zinnsoldaten. In ihren grauen Gesichtern regte sich nichts. Nur das Spiel des zuckenden Flammenwiderscheins huschte über ihre Gesichter, und erst als sich der Henker umwandte, kam auch in sie Bewegung.
»Ihr könnt gehen! Eure Arbeit ist beendet!«
Sie nickten und verschwanden wortlos. Fast sah es so aus wie eine Flucht. Der Henker verzog die Mundwinkel. Er mochte diese Menschen nicht. Vielleicht deshalb nicht, weil auch er sich oft genug nicht leiden konnte und doch unter seiner Tätigkeit litt, obwohl er dies offen nie zugeben würde. Die Kaiserin zahlte einen guten Lohn.
So manches Mal war auch schon ein Goldstück für ihn abgefallen, und sicherlich würde das bei diesem Pianisten auch wieder der Fall sein. Mit seiner Hinrichtung hatte der Henker der Kaiserin einen persönlichen Gefallen getan.
Seine Arbeit aber war noch nicht beendet. Er mußte noch einmal zurück in das Zimmer, wo der Kopf und die Hand lagen. Der Henker ließ sich Zeit. Er überlegte, wie er der Kaiserin bei ihrer Audienz die beiden Dinge präsentieren sollte.
Nicht auf einem Tablett. Er dachte da viel mehr an einen kleinen Kasten oder Koffer. Darin würden der Kopf und die Hand genau hineinpassen, und die Kaiserin konnte sich an diesem Anblick ergötzen.
Er hörte Hufgetrappel und das Rollen von Rädern. Kutschen fuhren durch das große Tor und näherten sich dem breiten, prachtvollen Eingang, den der Henker nicht betrat. Er wollte nicht gern gesehen werden, auch die Kaiserin mochte es nicht, und so betrat er das Schloß an einer anderen Stelle.
Sehr schnell ging er nun. Falls Besucher anwesend waren, mußte er rasch die Spuren beseitigen. Er hatte es schließlich auf seine Kappe genommen und den Pianisten in einem normalen Raum getötet und nicht, wie vorgesehen, im Richtkeller.
Zwei Stubenmädchen sahen ihn, erschraken, blieben stehen und liefen mit wehenden Röcken davon. Sie kannten den Henker und verspürten eine gewisse Angst.
Die Mädchen interessierten ihn nicht. Er öffnete eine mit Blattgold bedeckte Flügeltür und blieb abrupt stehen, ohne die Tür hinter sich zu schließen.
Das hatte einen Grund.
Etwas war an seine Ohren gedrungen.
Klavierspiel…
Und dabei genau die Melodie, die Manfredo Cardinal vor seinem Tod gespielt hatte.
So weich, so anders, fremd klingend, dabei nicht unangenehm, sondern lockend, aber von der Kaiserin gehaßt.
Der Henker war durcheinander. Er hatte das Gefühl, auf den Arm genommen zu werden. Bei den Dingen, die mit seiner Arbeit zusammenhingen, verstand er jedoch keinen Spaß.
Er packte den Griff seines Schwertes fester. In sein Gesicht trat ein noch härterer Ausdruck, und die Augen blitzten so kalt wie Steine.
Wer immer ihm diese Überraschung bereitet hatte, er würde büßen, das stand für den Henker fest.
Mit schnellen Schritten näherte er sich der bewußten Tür, die in den Musikraum führte. Die Tür rückte heran, und die Schritte des Henkers wurden langsamer, bedächtiger. Etwas hatte sich in seinem Innern gebildet, das ihn zurückhalten wollte.
Er konnte es nicht erklären, vielleicht reichte das Wort Angst aus oder Unbehagen…
Er stand vor der Tür.
Das
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