0402 - Die Burg des Unheils
hat.«
»Ich befolge nur meine Anweisungen.«
Gryf lachte auf. »Anweisungen? Dir hat niemand Anweisungen zu geben. Du unterstehst nur dem Volksgewissen. Verbietet das neuerdings Auskünfte? Nimm an, es würde ein Prozeß geführt, und wir wären die Richter oder Anwälte!«
»Das glaube ich nicht.«
»Trotzdem, wo sind sie?«
»Da müßt ihr Thorr fragen«, sagte der Wächter. »Ihr findet ihn in der zweiten Etage. Dort denkt er.«
»Welch fundamentale Beschäftigung«, sagte Gryf spöttisch. »Komm, Demont. Vielleicht ist Thorr etwas redseliger.«
Er zog Zamorra in Richtung der Treppe, die aufwärts führte. Der Druide im weißen Overall sah den beiden nachdenklich hinterdrein, sagte aber nichts weiter.
***
Merlin sah, daß die Spur immer frischer wurde, die das blaue Einhorn hinterlassen hatte. Er holte also auf. Kein Wunder, denn in der Luft schwebend konnte er sich bedeutend schneller bewegen als auf dem Landweg.
Die Landschaft wechselte ständig. Keine zehn Kilometer glichen den anderen. Täler, Berge, Wälder, Steppenlandschaften, Wüsten und Tundren… und jeder Bereich schien eine Welt für sich zu sein. Der Pflanzenbewuchs war unterschiedlich. Gab es hier noch blaue Steppengräser, wucherten dort schockgelbe Schlingpflanzen oder wandernde Riesenblumen, die sich auf ihren Laufwurzeln vorwärtsbewegten. In einem anderen Bereich war alles hart und starr, als sei es aus Beton gegossen, oder durchsichtige Gebilde funkelten wie Kristalle im Sonnenlicht. Es gab Stürme, die Merlin nicht einmal behelligten, und leichte Winde, die ihm beim Fliegen Schwierigkeiten bereiteten.
Fünfmal hatte das Schmetterlingsmädchen auf dem Einhorn mittlerweile die Richtung gewechselt. Fünfmal war auch Merlin auf neuen Kurs gegangen. An welcher Stelle dieser Wunderwelt er aufgetaucht war, konnte er schon längst nicht mehr sagen. Er hielt das auch nicht für sein Problem. Da der Materie-Transmitter zerstört war, gab es für ihn ohnehin keine Möglichkeit mehr, auf jenem Weg zum Silbermond und zu den Gefährten zurückzukehren. Warum also hätte er sich seinen Ankunftsort merken sollen? Über all das konnte er sich später einmal Gedanken machen…
Er fieberte dem Moment entgegen, in dem er dieses blauhäutige Mädchen wiederfand.
Er glaubte schon, es vor sich am Horizont zu sehen, wie es an einem schmalen Bergpfad emporritt, als er hinter sich in der Luft etwas hörte. Es war ein seltsames, kaum wahrnehmbares Singen. Ein Laut, als vibriere die Luft.
Merlin sah sich um.
Und er stürzte vor Überraschung ab.
Er konnte sich gerade noch dicht über dem Boden wieder abfangen und landete fest mit beiden Beinen auf dem Boden. Ein erneuter Versuch, wieder in die Luft aufzusteigen, gelang ihm nicht.
Enttäuschung breitete sich in ihm aus. Jetzt war er wieder zu Fuß. Wie sollte er das Einhorn noch einholen, das vielmal schneller war als er?
Aber fasziniert starrte er die riesigen schillernden Objekte an, die sich ihm aus der Luft heraus näherten. Sie gaben das helle, singende Geräusch von sich, und sie hatten ihn offenbar verfolgt. Seit wann, wußte er nicht zu sagen.
Große Kugeln, in allen Regenbogenfarben schillernd und dabei doch durchsichtig. Sie tanzten im Wind wie Seifenblasen. Aber so große Seifenblasen gab es nicht. Diese schwebenden, tanzenden und singenden Kugeln waren etwas völlig anderes.
Merlin nagte an der Unterlippe. Was bedeutet das?
Sie kreisten ihn ein.
»Wenn mir jetzt wieder so nervtötende Unterhaltungen bevorstehen wie mit diesen beiden seltsamen Wesen von vorhin, platzt mir der Kragen«, murmelte er.
Aber da beschleunigte eine der Riesen-Seifenblasen. Sie mußte mindestens drei Meter durchmessen, und sie bewegte sich jetzt mit der Gewandtheit und der Schnelligkeit eines Raubvogels.
Sie stürzte sich auf ihn!
Merlin war nicht in der Lage, schnell genug auszuweichen. Er riß zwar noch beide Hände hoch und glaubte, im nächsten Moment diese Super-Seifenblase daran zerplatzen zu sehen, obgleich er dieses schillernde Objekt doch gar nicht zerstören wollte, weil er es zu schön fand, aber die Kugel zerplatzte nicht.
Sie stülpte sich über ihn!
Sie drang dabei in den Boden ein, sank rasend schnell tiefer, und dieser Boden schien für die Kugel überhaupt nicht zu existieren! Er wurde einfach aufgelöst, und die Kugel riß Merlin, der sich von einem Moment zum anderen in ihrem Innern befand, mit sich in die Tiefe!
Und von innen war sie schwarz!
Schwarz wie die Nacht, und von dieser
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