0405 - Mit Blut geschrieben
Männern beibrachten, wie man tötete oder gegnerische Angriffe erfolgreich abwehrte. Wer diese Schule durchgemacht und verlassen hatte, konnte sich mit gutem Gewissen als Spezialist bezeichnen.
Auch am Abend gab es so gut wie keine Freizeit. Meistens wurden politische Vorträge angehört oder Diskussionsrunden veranstaltet, die jedoch sehr einschienig verliefen. Hin und wieder zeigte man einen Film, gedreht von Leuten des KGB im Einsatz. In dieser Filmstunde schloss so mancher Schüler ein oder zwei Augen, um ein Nickerchen zu machen.
An Frauen war während der Ausbildungszeit überhaupt nicht zu denken. Keiner der Schüler konnte das Kloster allein verlassen.
Wenn frei war, ging man in der Gruppe und stand ständig unter Aufsicht. Alkohol war sowieso verpönt. Wer mit einer Fahne erwischt wurde, flog.
Auch Kehmet Ascharow gehörte zu den Schülern. Und sogar zu den eifrigsten, denn er hatte die Hänseleien wegen seiner Person erlebt. Die anderen erkannten ihn, den Mann aus dem Süden, nie so recht an und nannten ihn, wenn kein Vorgesetzter in der Nähe war, nur den Orientalen. Das ärgerte ihn. Bei der Kampfausbildung hatte Kehmet Ascharow es manchem schon so hart zurückgezahlt, dass ein Ausbilder dazwischengehen musste, sonst hätte es womöglich noch Verletzte gegeben.
Der Schulleiter war ein hochdekorierter Offizier namens Oberst Tschigin. Er durfte sich keinen Fehler erlauben, wollte er nicht die Versetzung in die Taiga riskieren. Dementsprechend streng war sein Regime. Das hatte auf die Lehrer und Ausbilder abgefärbt, sodass sich die Schüler manchmal vorkamen wie Marionetten.
Ascharow machte das nichts aus. Er war einer der Eifrigsten und wollte in allen Fächern nur Bestnoten erringen. Auch an diesem Abend, als ein Film über die Freiheitskämpfer in Afghanistan lief, schaute er zu, während andere schon eingenickt waren.
Natürlich wurde der Film mit den entsprechenden Kommentaren unterlegt. Die hier Versammelten glaubten alles, denn einige von ihnen würden dorthin versetzt werden, um das harte Leben am eigenen Leibe kennen zu lernen. Da musste man, völlig auf sich allein gestellt, hinter der Front arbeiten. Kehmet Ascharow, der Fünfundzwanzigjährige, der es beim Militär bis zum Leutnant gebracht hatte, hatte sich schon freiwillig für diesen Einsatz gemeldet, denn ihm nahm man wegen seines Aussehens den Afghanen ab.
Der Raum war kaum geheizt. Hitze erzeugt Müdigkeit, und müde sollte keiner der Schüler werden. Das eintönige Summen des Projektors überlagerte manche Atemgeräusche der Männer, wenn aus den beiden Boxen mal kein Ton in den Raum drang.
Mit einem markigen Kommentar endete der Film. Wie immer wurde der Westen beschimpft, und auch die müdesten Schüler erwachten, als plötzlich das kalte Licht unter der Decke aufflammte.
Die Leute hatten sich so in der Gewalt, dass man ihnen das Nickerchen nicht ansah. Kerzengerade saßen sie auf ihren Stühlen.
Es war genau 21.30 Uhr. In einer halben Stunde hatten alle in ihren Betten zu liegen. Wer wollte, konnte zuvor noch duschen.
Kehmet Ascharow wollte unter die kalten Wasserstrahlen. Er härtete sich ab, denn er wusste, was später auf ihn zukommen würde. Als einer der Ersten verließ er den Saal. Die Schüler eilten entweder zu ihren Zellen oder in die große Duschanlage. Auch hier war Kehmet einer der Ersten.
Er schlüpfte aus seiner grün-grauen Uniform und stellte das Wasser auf kalt. Heiß wurde es sowieso nie. Auch eine Schikane der Ausbilder, die ihre Duschen woanders hatten, wahrscheinlich mit warmem Wasser. Zwei »Schulkameraden« stellten sich zu ihm. Sie rahmten Kehmet ein. Und sie sprachen ihn an. Einer aus ihrer Gruppe war vor wenigen Tagen geflogen. Sie hatten Kehmet in Verdacht, den Kameraden denunziert zu haben.
»Du Schwein warst es.«
Ascharow hatte die Worte gehört, aber genau in dem Augenblick die Augen geschlossen gehabt. So traf ihn der Tritt zwischen die Beine völlig unvorbereitet. Er fiel auf die Fliesen, krümmte sich und fluchte wild.
Der Zweite trat noch einmal zu. Diesmal in den Rücken. »Du verdammter Verräter!«, zischte er dabei und ging.
Auch der Erste verschwand. Sie ließen Ascharow zurück, auf dessen Körper die kalten Wasserstrahlen prasselten. Die Haut wurde allmählich blau.
Der Russe war zäh. Er blieb nicht liegen und schrie um Hilfe. So etwas tat man in dieser Schule nicht. Zudem hatte er eine harte, militärische Ausbildung hinter sich, und da war er auch nicht mit Samthandschuhen
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