0406 - Liebesbriefe in Sing-Sing
Schritte. Rechts vor mir war plötzlich ein dicker niedriger Baum. Ich kam daran vorbei, hörte im gleichen Moment ein Geräusch hinter mir und wollte herumwirbeln. Aber es war zu spät.
Der harte Lauf eines Revolvers presste sich mir zwischen die Rippen. Ich hörte den schweren Atem eines Mannes und hob die Arme.
»Keine Bewegung!«, sagte eine heisere Stimme flüsternd.
Eine sichere Hand tastete mich ab und zog meine Waffe aus dem Halfter.
»Hände runter und umdrehen!«, befahl die Stimme.
Ich überlegte, ob ich die Bewegung dazu benützen konnte, einen Uppercut zu landen, aber der andere schien meine Gedanken zu lesen.
»Keine Mätzchen, ich habe ein entsichertes Schießeisen in der Hand«, sagte er.
Ich ließ resigniert die Hände sinken und drehte mich um.
Zum ersten Mal sah ich meinen Angreifer. Das heißt, ich konnte in der Dunkelheit nur seinen Schatten erkennen, der sich dunkel gegen den helleren Hintergrund der Piste abhob.
Aber was ich sah, genügte mir: Der Mann, der mich mit einem 38er Special in Schach hielt, war Sergeant Parker von der City Police.
»Verdammt!«, zischte er, als er mich auch erkannte. Er sah mächtig verlegen aus. Ich quälte mir ein Grinsen ab.
»Macht nichts, Parker, beim nächsten Mal schlag ich Ihnen dafür ein blaues Auge.«
Er hatte noch nichts Verdächtiges gesehen. Ich war der Erste gewesen, und er hatte sich endlich am Ziel der Nachtarbeit gesehen.
»Wie sind Ihre Kollegen verteilt?«, wollte ich wissen.
»Zwei bei dem Wrack und einer bei der Halle. Ich bin hier allein.«
»Well, ich warte auch hier. Am besten ist es, wenn Sie jetzt zu den Hallen hinübergehen, Parker. Stecken Sie sich eine Zigarette in den Mund und gehen Sie auf die Piste. Vielleicht hockt der Unbekannte schon in der Gegend und wartet, dass Sie aufgeben und nach Hause gehen.«
»Sollen wir irgendein Signal ausmachen?«
»Nein. Bei den Boxen wartet Phil Decker, also bleiben Sie am besten vorläufig in der Werkstatt.«
»Geht in Ordnung«, flüsterte Parker noch, dann zündete er sich umständlich eine Zigarette an und schleuderte auf die Piste hinaus. Ich sah ihm nach, bis er verschwunden war, dann schob ich mich unter einen Strauch und wartete.
***
Die Hitze machte mich müde. Ich ärgerte mich, dass ich nicht daran gedacht hatte, ein paar Hotdogs zu essen, oder zumindest einen Kaffee zu trinken.
Jetzt hockte ich verschwitzt und hungrig in der Dunkelheit und musste dauernd versuchen, ein Gähnen zu unterdrücken.
Doch plötzlich war alles vorbei, Hunger, Mattigkeit, Hitze. Es gab nur noch das leise Geräusch tappender Schritte.
Ich hielt den Atem an.
Die Schritte verhielten, dann setzten sie sich wieder in Bewegung.
Ich verlagerte mein Gewicht etwas, um im Notfall schnell genug vom Boden hochzukommen. Der Mann kam immer näher.
Jetzt konnte ich seinen keuchenden Atem hören. Ich bemühte mich, lautlos Luft zu holen. Die Schritte verharrten.
Plötzlich hatte ich ein sonderbares Gefühl. Ich wusste, wo der Mann jetzt war, auf den ich wartete: Ungefähr zehn Füß von dem hölzernen Turm entfernt. Ich war gut gedeckt unter dem dichten Busch, und außerdem standen noch eine Reihe Bäume zwischen uns.
Und trotzdem hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden!
Vorsichtig packte ich mit der rechten Hand meinen Revolver, doch dann besann ich mich anders und ließ ihn stecken. Ich musste beide Hände freihaben.
Ich wollte mich umdrehen, schauen, wer hinter mir war, aber durch die Bewegung hätte ich mich dem anderen Mann verraten.
Dem anderen? Waren denn zwei Männer hier, um etwas zu suchen? Ich hörte doch nur den Atem von einem Menschen.
Verspäteter Sonnenstich, dachte ich und konzentrierte mich auf den Atem des Mannes vor mir. Es war das einzige fremde Geräusch um mich herum.
Ich hörte die Schritte wieder. Der Mann kam näher. Dann knackte plötzlich ein Ast. Ich spannte meine Muskeln an und starrte in die graue Dunkelheit vor mir. Jetzt sah ich den Mann. Er kam lautlos auf den freien Platz vor dem Turm, sah sich einen Moment lang um und huschte gebückt zu der Leiter, die auf den Turm führte.
Ich erkannte ihn sofort. Es war der Riese Mark Senters.
Aber Senters schien nichts auf dem Turm zu suchen. Er wartete offensichtlich auf jemanden.
Immer wieder sah er sich suchend um, während er auf der Sprosse stand.
Dann begann er, langsam und vorsichtig hinaufzuklettern.
Der Turm schwankte etwas, aber als Senters still sitzen blieb, beruhigte sich das Gestell, und nichts ließ
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