0407 - Am Tisch des Henkers
sich eine gewaltige Lagerhalle mit riesigen Regalen. Es war genügend Platz für die Gabelstapler. Auf einer Rampe bewegten wir uns weiter, weil wir niemandem im Weg stehen wollten. Leise war es nicht. Männer schrieen sich gegenseitig etwas zu. Irgendwo rumpelte immer ein großer Gegenstand. Kisten und Container wurden transportiert oder weggeschleift. Durch das große, offene Tor hörten wir die typischen Geräusche der anfahrenden Transporter.
Zur Rampe hin lagen die großen Schiebetüren. Sie waren weit geöffnet. Kalter Wind fegte in die Halle. Ich war froh, einen Mantel übergestreift zu haben. Madison trug unter seiner Jacke einen warmen Pullover. »Wir haben den Sarg dort abgestellt, wo nicht die großen Waren umgeschlagen werden, verstehen Sie?«
»Klar.«
Wir wandten uns nach links und erreichten eine schmale Tür. Sie lief auf Rollen.
Die nächste Halle war zwar auch noch groß, trotzdem wesentlich kleiner. Hier hatte man die Fracht untergebracht, die nicht unbedingt auf die Ladefläche der großen Trucks geschoben werden musste.
»Wir haben den Sarg nach hinten gestellt. Es braucht ihn ja nicht unbedingt jeder zu sehen.«
»Das war vernünftig.«
An einer hohen Wand aus kleinen Blechcontainern schoben wir uns vorbei, erreichten einen Teil des Gewürzlagers, das von exotischen Düften durchzogen wurde, und gelangten schließlich zu unserem Ziel. Der Sarg stand ziemlich allein. Madison blieb zurück.
Vielleicht fürchtete er sich vor Särgen und Toten. Ich aber trat näher heran und sah in dem Glassarg eine junge Frau liegen, die dem Märchen Schneewittchen entsprungen zu sein schien.
Auch ich musste meine Überraschung zunächst verdauen und dachte wieder daran, was mir Mandra berichtet hatte. Die Person in dem Sarg aus Glas sollte angeblich seit vierzig Jahren tot sein. Danach sah sie mir verdammt nicht aus. Im Gegenteil, sie machte eher den Eindruck eines lebenden, aber schlafenden Geschöpfs.
Ich musste den Sarg öffnen. Ein Risiko war es schon. Wenn der Sarg luftleer gewesen war, konnte es unter Umständen passieren, dass sich die Leiche an der Luft veränderte, möglicherweise sogar auflöste. Das wäre verdammt unangenehm gewesen.
Ich dachte nach und betrachtete dabei das Gesicht.
Die Haare der jungen Inderin lagen wie ein schwarzes Vlies um den Kopf, sodass das schmale Gesicht noch blasser wirkte, als es tatsächlich war.
Madison traute sich wieder näher. »Na, habe ich Ihnen zu viel versprochen, Sir?«
»Nein, es stimmt alles.«
»Und was wollen Sie jetzt tun?«
»Am liebsten wäre es mir, wenn ich den Sarg öffnen könnte.«
Der Mann vom Zoll erschrak. »Sagen Sie bloß. Haben Sie das wirklich vor?« Er schüttelte den Kopf, als wollte er mich damit beeinflussen.
»Ja, wir müssen die Leiche untersuchen.«
»O nein.« Er verdrehte seine Hände und war plötzlich aufgeregt.
»Das gefällt mir überhaupt nicht.«
»Da bin ich Ihrer Meinung. Wenn Sie einen besseren Vorschlag haben, sagen Sie ihn mir.«
»Sorry, aber da bin ich überfragt.«
Ich klopfte ihm auf die Schulter. »Nur keine Panik, Mr. Madison, ich werde den Sarg nicht vor Ihren Augen öffnen. Das geschieht bei uns, bei Scotland Yard.«
»Dann schaffen Sie ihn weg.«
»So ist es.«
Ihm fiel ein Stein vom Herzen. »Da bin ich aber beruhigt. Wissen Sie, es ist schon komisch, wenn da in der Halle ein gläserner Sarg steht. Hier wird wirklich viel angeliefert, das können Sie sich kaum vorstellen, aber ein gläserner…«
»Wo kann ich denn telefonieren?«
»Kommen Sie mit. Wir haben hier in der Halle einen Apparat mit Außenanschluss.«
Wieder ging es zurück. Ich hätte mit einem Transporter oder Leichenwagen herkommen sollen, dann hätte ich die Leiche selbst wegschaffen können. So musste ich leider die Kollegen bitten.
Der Kasten mit dem Telefon war an einem Pfeiler angebracht worden. Ich nahm den Hörer ab und drehte die Wählscheibe. Mein Gespräch dauerte nicht lange. Der Wagen würde so rasch wie möglich kommen. Ich wollte zudem keine Zeit verlieren, denn mich interessierte das Untersuchungsergebnis sehr.
»In einer Stunde sind Sie den Sarg und die Tote los«, erklärte ich Mr. Madison.
Er hob die Schultern, als würde er frieren. »Da bin ich aber froh, Mr. Sinclair.« Er schaute sich um. »Wollen Sie noch einmal zurück?«
»Ja, ich will mir die Tote genauer ansehen.«
»Aber den Sarg nicht öffnen?«
»Keine Sorge, Mr. Madison. Sie können wieder in Ihr Büro gehen, wenn Sie wollen.«
Er winkte
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