0407 - Am Tisch des Henkers
Leroy mit einem besorgten Blick betrachtet hatte.
»Doch, alles okay.«
Er kam näher. »Was haben Sie denn?«
Der alte Mann lachte. »Fragen Sie lieber, was ich hatte .«
»Und was hatten Sie?«
»Lebensmut und Humor.« Er klopfte dem Frager auf die Schulter.
»Ich danke Ihnen.« Dann ging er und hielt sich im Gang dicht an der Wand, wo er seinen Weg kopfschüttelnd fortsetzte, denn er hatte den schweren Schock noch immer nicht überwunden.
Sollte er die anderen informieren? Sollte er es nicht tun? War alles nur ein Bluff gewesen?
Er wusste es nicht. Da half auch kein Grübeln. Er musste alles auf sich zukommen lassen. Und er dachte dabei an die Warnungen des Henkers, die ihn tief getroffen hatten.
Gleichzeitig wunderte er sich, dass der Lärm der Feier nachgelassen hatte. Als Leroy die Tür erreichte und sie vorsichtig aufzog, entdeckte er den Grund.
Man hatte das Licht fast ganz ausgeschaltet und ging nun zum stimmungsvolleren Teil des Festes über. Leroy blickte auf seine Uhr.
Es war kurz vor Mitternacht. Zur Tageswende sollte die große Schau ablaufen, so hatten es sich die jungen Leute vorgestellt.
Das Haus der Familie war sehr groß. Im Wohnraum, der schon einer Halle glich, konnte hervorragend gefeiert werden. Man hatte ihn dafür unterteilt.
Auf der einen Seite, wo sich das von den drei Musikern verlassene Podium befand, hielten sich die jüngeren Gäste auf. Ihnen gegenüber standen die älteren.
Leroy gesellte sich zu ihnen. Er sah viele Bekannte. Eine aufgetakelte Frau sprach ihn an. Sie war eine entfernte Cousine.
»Wollen die Kinder tatsächlich diese Schau veranstalten?«
»Ja.«
»Ist das denn nicht gefährlich?«
»Ich bitte dich, Eliza, doch keine Wunderkerzen!«
»Ach so.«
Es war wie ein Stichwort. Plötzlich flammten dort, wo die jüngeren Gäste standen, zahlreiche kleine Feuer auf, und wenige Augenblicke später begann es schon zu sprühen, als die Wunderkerzen Feuer gefangen hatten. Ein regelrechtes Sternengewitter legte sich über die Köpfe der jungen Gäste.
Noch wurden die Wunderkerzen nicht bewegt, und Eliza stellte sich neben ihrem Cousin auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. »Das ist doch… ja, nein.«
»Was hast du denn?«
»Ich sehe deine Enkelin nicht.«
Leroy erschrak. Dann fiel ihm ein, dass Mary erst zum Höhepunkt der Aufführung erscheinen wollte, gewissermaßen als Königin. Darauf hatte sie sich am meisten gefreut. Immer mehr Wunderkerzen versprühten ihr Licht. Die jüngeren Leute überwanden die Distanz zu den älteren. Auch ihnen wurden Kerzen in die Hand gedrückt, und man bat sie, sich in einem Halbkreis aufzustellen.
Vor dem Podium standen sie nun. Dahinter befand sich ein Vorhang. Auf Marys Wunsch war er angebracht worden, damit er die nach ihrer Meinung hässliche Tür verdeckte.
Marys Mutter stand ganz außen. Sie war auch mal so hübsch wie ihre Tochter gewesen.
Der Verlobte hielt sich bei seinen Freunden auf. Er musste noch ein Glas trinken.
Dann kam sie.
Der Vorhang bewegte sich. Die ersten Zuschauer fingen an zu klatschen, als Mary das Podium betrat. Auf ihrem Kopf befand sich ein Kranz aus brennenden Wunderkerzen.
Leroy Thompson drängte sich noch weiter vor und wusste selbst nicht, weshalb er das tat. Vielleicht wollte er sich kein Detail entgehen lassen. Und das war gut so. Er gehörte zu den wenigen, denen auffiel, dass mit Mary etwas nicht stimmte.
Sie kam, aber sie ging schwankend. Dabei sah es so aus, als hätte sie Mühe, das Podium zu besteigen. Die sprühenden Lichter auf ihrem Kopf bewegten sich, kippten von einer Seite zur anderen, rutschten, und plötzlich knickte das Mädchen ein.
Bevor irgendjemand reagieren konnte, fiel Mary. Sie hatte das Podium nicht mal richtig betreten können, kippte deshalb nach vorn und schlug hart gegen die Kante. An der Stirn wurde sie getroffen, und dieser Schlag schüttelte sie nicht nur durch, er schleuderte ihr auch gleichzeitig die ungewöhnliche Krone vom Kopf, die auf der Holzkante weiterrollte und erst am Rand liegen blieb.
»Licht, Licht! Verdammt, mach doch mal jemand Licht!« Leroy hatte es geschrieen. Mit wilden Bewegungen bahnte er sich seinen Weg. Es war ihm egal, ob er seine Gäste zu Boden schleuderte, er wusste genau, dass mit Mary etwas geschehen war. Siedend heiß war ihm wieder die Warnung des Henkers in den Sinn gekommen.
Er hatte versprochen, ein Zeichen zu setzen. War Mary dieser Beweis?
Leroy erreichte das Podium. Auch andere wollten helfen. Er
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