0407 - Das neue Element
schlage ich vor. Wie denkt ihr darüber?"
Zweiundsechzig Männer brüllten begeistert ihre Zustimmung.
*
Die Transportgleiter hielten auf Derbolavs Befehl vor der Innenwand jenes erloschenen Kraters, auf dessen Boden die ROSSA OBERA stand.
Derbolav de Grazia klappte das Kanzeldach auf. Er atmete tief ein und genoß die klare frische Gebirgsluft, In dieser Höhe lag die Landschaft leblos und erstarrt da wie die Oberfläche eines luftleeren Mondes.
„Weißt du", sagte er zu seinem Vetter Juan, „jedesmal, wenn ich hier bin, möchte ich mir hier am liebsten ein Haus aufstellen und mich für immer niederlassen."
Er lächelte, als wollte er um Verständnis bitten.
„Die Gedanken gehen manchmal seltsame Wege.
Aber dieser Teil von Angerook und der Weltraum haben einige Dinge gemeinsam: Sie sind weit und groß, man ist allein, und nachts sieht man die Sterne in kaum vorstellbarer Klarheit."
„Du wirst doch nicht etwa weise werden, bevor du alt bist, Chef", sagte Juan Mellone-Grazia ironisch.
Derbolav lachte trocken.
„Wer nicht vorher etwas von der Weisheit mitbekommt, im Greisenalter ist es zu spät. Was die Leute dann vielleicht für Weisheit halten, ist nichts anderes als Senilität, eine geschickt getarnte Erstarrung des Geistes und ein wenig kompensierte Todesfurcht." Er deutete nach vorn. „Siehst du die Terrassen! Paß auf!"
Er zog einen Kodegeber aus dem Gürtel und drückte den Daumen in die Aktivierungsschale.
Juan sog geräuschvoll die Luft ein, als die Vorderfront der untersten Terrasse knirschend und polternd im Boden versank. Licht flammte auf und erhellte eine geräumige, halbkreisförmige Halle.
Derbolav sprach einen Befehl in den Helmtelekom.
Die Transportgleiter ruckten an und schwebten in die Halle hinein. Der Patriarch betätigte den Kodegeber erneut, und die Halle schloß sich. Im nächsten Moment sank die Bodenplatte mit den Gleitern abwärts. Sie war in Wirklichkeit nur die Tragplattform eines riesigen Kraftfeldschachtes.
Als die Platte anhielt, war von der oberen Schachtmündung nur noch ein rötlich glimmender Lichtkreis zu erkennen.
„Wir befinden uns noch immer rund tausendfünfhundert Meter über dem Meeresspiegel", erklärte Derbolav seinem Vetter Juan. Er deutete auf ein rotmarkiertes Rechteck in der Wand und aktivierte seinen Kodegeber zum drittenmal. Der rotmarkierte Teil der Wand versank im Boden.
Dahinter wurde ein breiter, matt erhellter Stollen sichtbar.
„Vorwärts!" befahl der Patriarch.
Die Gleiter fuhren etwa zehn Minuten lang mit mittlerer Geschwindigkeit, bis sie eine spiralförmig nach unten führende Rampe erreichten.
Derbolav de Grazia wartete gespannt auf eine Reaktion seines Vetters, während ihr Gleiter die Spiralrampe hinabfuhr. Er lächelte, als Juan prüfend die Luft einsog.
„Was ist das für ein seltsamer Geruch?" fragte er.
Im nächsten Augenblick verließ der Gleiter die Rampe und schwebte über ebenen Boden dahin. Die starken Scheinwerfer richteten sich auf eine dunkle, wogende Masse, die beständig vor- und zurückwogte und dabei Schaumkronen erzeugte.
„Triebwerke abstellen!" befahl Derbolav.
Die Triebwerksgeräusche verstummten. Dennoch wurde es nicht still. Geräusche wie dumpfes Poltern, Klatschen und langgezogenes Rauschen drangen an die Ohren der Männer.
„Nun ...?" fragte der Patriarch gedehnt.
„Bei allen Berggeistern!" entfuhr es Juan Mellone-Grazia. „Ein Meer! Ein unterirdisches Meer!"
Derbolav de Grazia lächelte stolz, als hätte er dieses unterirdische Meer selbst geschaffen.
„Ein richtiger Ozean, Vetter Juan. Wir stehen hier am Ufer einer Bucht. Am gegenüberliegenden Ufer befindet sich mein Privateingang zum Flottenmagazin." Die Gleiter hoben erneut ab. In geringer Höhe schossen sie über den Wogen dahin.
Juan Mellone-Grazia glaubte hin und wieder schemenhafte Bewegung unter der Wasseroberfläche zu erkennen. Er fragte den Patriarchen danach.
„Ich habe mich noch nicht groß darum kümmern können", antwortete Derbolav. „Aber es gibt Leben in dem Ozean, tiefschwarze, kiemenatmende Wesen, weiße Pflanzenbüschel und was weiß ich noch.
Vermutlich ersetzt die vom Grunde ausgehende Wärmestrahlung die Sonne. Die Wellen werden übrigens durch ein Phänomen erzeugt: Beide subplanetaren Ozeane stehen durch einen mächtigen Tunnel miteinander in Verbindung. In regelmäßigen Intervallen hebt und senkt sich der vulkanische Meeresboden jeweils eines Ozeans," Er lachte lautlos. „Ein langsam atmendes
Weitere Kostenlose Bücher