0407 - Das neue Element
Plastikkisten.
„Ringprojektorhülsen Typ D-5001, vierhundert Stück", las Juan Mellone-Grazia von einer Kiste ab.
Die nächste Kiste trug die gleiche Beschriftung, die übernächste auch und so weiter.
Derbolav de Grazia deutete mit dem Daumen zur gegenüberliegenden Seite.
„Dort lagern Plasmabeschleuniger für Pulsationstriebwerke. Auf der Rückfahrt werden wir eine Kiste mitnehmen. Sie passen nämlich zu den HUS-Gleitern, die wir uns holen."
Juan verzog das Gesicht.
„Holen ...! Stehlen meinst du wohl, Chef!"
Der Patriarch runzelte verärgert die Stirn.
„Was heißt hier stehlen! Wenn von dem Zeug, das wir brauchen, hier massenhaft herumliegt, weshalb sollte ich es da nicht mitnehmen. Kaiser Anson Argyris kann den winzigen Aderlaß verschmerzen.
Sehr wahrscheinlich wird er ihn ohnehin niemals bemerken, denn dieses Magazin ist nur für Notfälle angelegt worden."
Juan nickte beruhigt.
Die Argumente des Patriarchen überzeugten ihn.
Weshalb sollte man nicht eine Kleinigkeit von dem unermeßlichen Reichtum, der hier lagerte, einer sinnvollen Verwendung zuführen. Indirekt kam das schließlich allen Menschen zugute, denn von den Erfolgen der Prospektoren profitierte über die Schwerindustrie die gesamte Wirtschaft und damit auch die gesamte Menschheit.
Juan Mellone-Grazias Denken fügte sich allmählich wieder in die Mentalität der Prospektoren ein, nachdem die Jahre des Studiums in einem festgefügten Staatssystem ihm unmerklich beigebracht hatten, daß fremdes Eigentum in jedem Falle tabu sei.
Aber dieses Staatssystem - das Solare Imperium - existierte für Uneingeweihte nicht mehr. Und die Verhältnisse in der Galaxis waren nicht dazu angetan, zur Achtung von Eigentumsverhältnissen zu erziehen.
Endlich hatten sie die andere Seite der Halle erreicht. Derbolav de Grazia wandte sich um und überblickte seine Leute.
„Wir kommen nun in einen Verbindungsstollen.
Die meisten von euch kennen ihn bereits. Für die anderen sei noch einmal kurz gesagt, daß die Haupt-Überwachungs-Positronik die Stollen und Schächte im Flottenmagazin unter permanenter Kontrolle hat. Sie vermag zwar keinen Alarm auszulösen oder sonst etwas gegen uns zu unternehmen, weil wir sozusagen nicht von außen, sondern von innen kommen, also keine Spur eines gewaltsamen Eindringens erzeugt haben. Benehmt euch so, daß die HÜP nicht daraus konkrete Verdachtsmomente konstruiert, was sie sicher versuchen wird, da ihr eine Wahrscheinlichkeitsberechnung sagen kann, daß unsere Anwesenheit nicht mit rechten Dingen zugeht.
Glücklicherweise kann sie jedoch ohne konkrete Verdachtsmomente nichts unternehmen."
Er räusperte sich, als seine Leute grinsten.
„Noch etwas: Laßt euch nicht zu einer Antwort verführen. Unterhaltet euch nicht untereinander."
Juan hob die Hand.
„Chef, eine Frage: Meinst du wirklich, die Positronik würde versuchen, uns in eine Unterhaltung zu verwickeln?"
„Sie hat es bei allen vorherigen Besuchen versucht", erwiderte de Grazia ernst. „Beim ersten Besuch wäre ich beinahe darauf hereingefallen. Die HÜP ist ziemlich gerissen, und eines Tages wird sie uns überlisten, wenn wir nicht auf der Hut sind."
Er legte die Handfläche auf das Wärmeschloß neben dem Durchgang. Ein Summen ertönte, dann glitt die fünfzehn Meter breite Stahlplastikplatte lautlos zur Seite. In dem Stollen dahinter flammte Licht auf. Juan sah, daß der Stollen mindestens zwanzig Meter breit und acht Meter hoch war; zu beiden Seiten liefen summend schmale Transportbander in entgegengesetzten Richtungen.
Derbolav de Grazia wandte sich abermals um, legte den Zeigefinger auf die Lippen und deutete danach mit der Hand nach links. Nacheinander sprangen die Prospektoren auf das gegenüberliegende Transportband und wurden rasch davongetragen.
Alles erfolgte mit gespenstischer Lautlosigkeit vor der schwachen Geräuschkulisse der laufenden Transportbänder.
Plötzlich wurde die Stille von einer hart und metallisch klingenden Stimme unterbrochen.
„Hier spricht die Haupt-Überwachungs-Positronik des Flottenmagazins Angerook! Sie sind von keinem der Eingänge registriert worden. Bitte, identifizieren Sie sich."
Derbolav grinste.
Die Positronik wiederholte ihre Aufforderung noch zweimal, dann änderte sie die Taktik.
„Bitte, nennen Sie mir Ihre Wünsche, damit ich Ihnen helfen kann."
Auch darauf gingen die Prospektoren nicht ein.
Derbolav befürchtete zwar nicht, daß die Beantwortung solcher harmlosen Fragen ihnen
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