0411 - Der Steinzeit-Magier
Eilert auf dem Rückweg mit dabei haben«, sagte Zamorra. »Erinnere dich, daß die Ringe nur zurückholen, was sie hingebracht haben, nicht mehr und nicht weniger. Dein Plan hat eine große Lücke.«
Nicole schüttelte den Kopf.
»Unsinn. Wenn es so geht, wie ich’s mir vorstelle, machen wir nur einen Sprung, und dabei spielt es keine Rolle. Wir könnten eine ganze Schulklasse mitbringen. Komm, laß dich mit unter die Dusche zerren. Das erfrischt und fördert das Denkvermögen. Anschließend gibt’s den Zaubertrank, den Anke gerade nach deiner Patentrezeptur braut.«
Zamorra gähnte wieder und schloß die Augen.
»Du wirst mir bei der Dusche entschieden helfen müssen«, stellte er fest. »Ich kann kaum die Augen offenhalten.«
»Um so besser«, sagte Nicole. »Dann halten wir uns da wenigstens nicht so fürchterlich lange auf, wie sonst bei gemeinsamen Aktionen dieser Art.«
»Du gönnst einem müden alten Mann auch gar nichts«, ächzte Zamorra. »Sollte ich den Trank nicht vorher zu mir nehmen?«
»Und deine Kräfte dann an mir wieder verpulvern? Nee, mein lieber Herr Professor. Erst die Arbeit, dann die Liebe…«
***
Das Pfahlbaudorf lag ruhig da, wie ausgestorben. Niemand befand sich mehr außerhalb der Blockhütten. Der anhaltende Dauerregen hatte sie alle in ihre Häuser getrieben. Was anfangs erleichternde Erfrischung gewesen war, wurde mit der Zeit zur Plage, zumal keine nennenswerte Abkühlung erfolgte. Die Lehmschicht auf den Holzbohlen der Plattform war zu einer glitschigen Masse geworden, die mehr und mehr fortgespült wurde, und als der Göttersprecher seinen Rundblick über die Felder schweifen ließ, sah er das Wasser daumenlängenhoch stehen. Die Halme ragten daraus hervor. Der Boden war zwar längst aufgeweicht, aber er konnte den Niederschlag nicht mehr so rasch aufnehmen, wie er vom Himmel herunterkam.
Es wurde Zeit, daß der Regen aufhörte, sonst verdarb die Ernte durch die Nässe, wurden die Wurzeln der Kräuter und des Getreides ausgespült…
»Hoffentlich hat der Regengott bald ein Einsehen«, murmelte der Göttersprecher. »Er wird doch wohl nicht auf ein weiteres Opfer warten, das ihn veranlaßt, seine Tränen zu dämmen?«
Der Ewige antwortete nicht darauf. Diese Kleinigkeiten berührten ihn zur Zeit nicht. Aber die Besorgnis des hageren Weißhaarigen wurde immer größer. Er führte das Opfer-Ritual nicht gern aus. Nur dann, wenn keine andere Wahl mehr blieb, wenn der Stammesführer beschloß, daß es sein müsse und keinen Widerspruch duldete. Aber es schmerzte, Leben zu opfern. Und es war um so schlimmer, wenn dieses Leben aus dem eigenen Dorf genommen werden mußte, weil es keine Gefangenen gab und die Zeit drängte… Manchmal haßte der Göttersprecher sich dafür. Aber es ging nicht anders. Wer etwas von den Göttern erflehte, mußte sie gnädig stimmen. Ein Handel. Die Götter schenkten Leben, und sie forderten es zurück.
Der Göttersprecher war am Rand der Verzweiflung. Er konnte noch kein neues Ritual durchführen. Ein neuer Opferdolch war noch nicht gegossen worden. Das brauchte seine Zeit. Und es würde schwer sein, den Ofen jetzt zu entfachen. Die Holzkohle war bestimmt feucht geworden und würde nicht brennen.
Also würde es weiterregnen – wenn die schlimmsten Befürchtungen des Alten eintrafen. Es würde weiterregnen, bis das angestaute Wasser das ganze Land und die Dörfer und die Berge im Süden überflutete und alles Leben ertrank. Und das Schlimmste würde sein: Er, der Göttersprecher, hatte mit seinem Blutopfer diesen Untergang dann ausgelöst. Dann würde es keine Rolle mehr spielen, daß er in gutem Glauben auf Rettung der Ernte gehandelt hatte, daß der Stammesführer ihn ultimativ zu seinem Tun gedrängt hatte. Nein. Nur was am Schluß da war, zählte.
»Hier«, sagte der Ewige rauh, dem der Regen nichts auszumachen schien. »Hier wirst du verharren und das tun, was ich dir jetzt befehle. Verstehst du? Es kommt darauf an, daß du alles ganz genau ausführst. Du wirst einen Zauber wirken, und ich werde an anderer Stelle einen Zauber wirken.«
»Der den Regen aufhören läßt?«
»Narr!« brüllte der Kahlköpfige in dem seltsamerweise völlig trockenen Gewand. »Was schert mich der Regen? Es geht um weit mehr, als du ahnst! Also hege keine dummen, unwichtigen Gedanken, sondern tu, was ich dir sage! Du bist der Beste von allen Göttersprechern, aber notfalls werde ich auch den zweitbesten erwählen!«
»Ja«, sagte der Alte matt.
Er stand
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