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0411 - Der Steinzeit-Magier

0411 - Der Steinzeit-Magier

Titel: 0411 - Der Steinzeit-Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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vergraben lag? Tun Sie mir das nicht an«, murmelte der Inspektor. »Verflixt, ich möchte diesen Deckel zuklappen und nicht einen neuen aufschrauben.«
    »Ist das Ausgrabungsgelände von der Polizei oder Staatsanwaltschaft gesperrt worden?« erkundigte sich Zamorra. Er hatte zwar nirgends ein Dienstsiegel entdeckt, aber auch nicht genauer hingeschaut. Es konnte eine Verfügung geben, die weitere Ausgrabungen bis zum Abschluß aller Ermittlungen untersagte.
    »Nein«, sagte Bernstein. »Sie wollen nach weiteren Skelett-Teilen suchen?«
    »Unter anderem auch das«, sagte Zamorra.
    »Das interessiert mich jetzt auch. Graben Sie weiter –und sobald Sie etwas entdecken, rufen Sie mich an, daß ich die Kollegen von der Spurensicherung hinüber schicke. Bitte, Professor, wenn dort tatsächlich ein Toter liegt, der kein Fossil ist, ist es wichtig, daß bei jedem Fund so lange nichts verändert wird, bis wir alles genau aufgenommen haben…«
    Zamorra lächelte.
    »Ich weiß. Glauben Sie mir: die Archäologie arbeitet möglicherweise noch sorgfältiger. Wenn wir etwas entfernen sollten, ist Fundstelle und exakte Lage ausführlich protokolliert.«
    »Ja«, sagte Bernstein. »Ich weiß. Ich wollte Ihnen ja keine Vorschriften machen. Wollen Sie jetzt noch den Leichnam des Mörders sehen?«
    ***
    Das Ergebnis war unbefriedigend. Zamorra hatte gehofft, einen Hauch von Magie zu finden, aber sein Amulett sprach nicht an. Es schien, als läge ein ganz normaler Toter vor ihm. Auch optisch gab es nichts Besonderes – vor sechstausend Jahren hatten die Menschen kaum anders ausgesehen als in der Gegenwart. Allenfalls, daß sie etwas kleinwüchsiger gewesen waren. Aber wenn dieser Tote tatsächlich aus der Bronzezeit Mitteleuropas stammte, war er für seine Zeit wohl ein kleiner Riese gewesen.
    Der Obduktionsbefund hatte nichts weiter ergeben, als daß dieser Mann einem schlichten Verkehrsunfall erlegen war. Er mußte schätzungsweise fünfundzwanzig Jahre alt gewesen sein, hatte drei Rippenbrüche überstanden, eine Oberarmverletzung und mußte ansonsten kerngesund gewesen sein – mit Ausnahme zweier fehlender Zähne. Sein Mageninhalt wies laut Bericht Reste einer rein fleischlichen Mahlzeit auf – das Fleisch war ungewürzt, aber gut durchgebraten, wie der untersuchende Mediziner schriftlich versichert hatte.
    Zamorra schluckte. Soviel Detailfreude hatte selbst er nicht erwartet.
    Noch etwas paßte ins Bild – Zehen- und Fingernägel waren nicht geschnitten, sondern offensichtlich abgekaut worden und gaben dem Mediziner damit Rätsel auf. Für Zamorra paßte es in das Bild, das er sich gemacht hatte. Nagelscheren waren in der beginnenden Bronzezeit nicht einmal für Stammesfürsten als Superluxusartikel lieferbar gewesen.
    Für ihn kam dieser Mann eindeutig aus der Vergangenheit.
    Zamorra bedankte sich bei Bernstein und empfahl sich zunächst einmal. Draußen auf der Straße stöhnte Nicole auf. »Puh«, machte sie. »Nur gut, daß wir nicht jeden Tag in so einem Leichenschauraum aufkreuzen müssen. Das einzig Gute daran ist die hervorragende Klimaanlage. Da drinnen war’s wenigstens erträglich kühl. Ich glaube, ich werde doch ein Bad im See nehmen.«
    »Später«, entschied Zamorra.
    »Richtig. Wir müssen ja erst noch einen Bikini für mich kaufen«, stellte Nicole fest. »Selbst der ist bei dieser Hitze schon zuviel…«
    »Aber Nacktbaden ist hier nicht erlaubt.«
    Sie lächelte. »Ich dachte mehr an den Alltagsbetrieb. Aber leider ist hier nicht der Englische Garten von München…«
    Zamorra küßte sie. »Steig ein. Ich fahre.«
    »Wohin?«
    »Nach Meersburg. Ich denke, wir werden uns da ebenfalls einquartieren, wo die Archäologen untergekommen sind. Ich hoffe, daß man sich mit den beiden Studenten einigermaßen unterhalten kann.«
    Nicole ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. »Weißt du, daß du vorhin mit dem Schädel in der Hand ausgesehen hast wie Hamlet? Fehlte nur, daß du ›Sein oder Nichtsein‹ vor dich hingebrabbelt hättest…«
    Zamorra sah sie kopfschüttelnd an.
    »Dein Humor ist heute reichlich makaber geworden«, sagte er vorwurfsvoll. »Der Mann, dessen Schädel ich in der Hand hatte, hat wahrscheinlich noch vor ein paar Tagen gelebt, gelacht und geliebt… und jetzt ist er vernichtet, ausgelöscht. Das kommt mir nicht gerade lustig vor.«
    »Muß die Hitze sein«, sagte Nicole. »Entschuldige. Du hast natürlich recht, aber – du glaubst also auch, daß er es ist?«
    »Ich befürchte es sehr.

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