0412 - Ein Grab aus der Vergangenheit
erleben, das kann ich dir versprechen. Für so etwas war Hector de Valois noch immer gut. Auch der Tod ist manchmal nicht endgültig. Das Erbe der im Leben mächtigen Menschen existiert bis in die Zukunft.«
Es waren Worte, über die ich nicht nachdachte, weil mich die Ereignisse ablenkten.
Für Manon Medoque war die Begegnung mit der unsichtbaren Nadine Berger nicht mehr als eine Episode gewesen. Sie musste sich um andere Dinge kümmern.
Sie selbst hatte mir gesagt, dass sie es nicht haben konnte, wenn zwei verschiedenartige Magien nebeneinander existierten. Deshalb musste sie die andere zerstören.
Der Abbé und ich standen dicht zusammen, ihr jedoch auch im Weg. Sie kümmerte sich nicht darum und stieß uns kurzerhand zur Seite, sodass der Weg zum Grab für sie frei war.
Ihr Schreiten war gleichzeitig das Startsignal für die übrigen elf Wölfe. Bisher hatten sie nur Statistenrollen innegehabt. Das änderte sich schlagartig.
In ihre schweren und plump wirkenden Körper geriet Bewegung.
Von verschiedenen Seiten liefen sie auf ihre Herrin zu, um sie in die Mitte zu nehmen und sie zum Grab zu führen.
Ich wollte ihnen folgen, aber der Abbé hielt mich zurück.
Die Finger seiner rechten Hand umklammerten meinen Oberarm.
»Nein, John, du wirst nicht gehen. Lass sie es tun.«
»Warum? Es ist Hector de Valois’ Grab.«
»Ich weiß.«
Wir starrten uns an. Ich hatte meine Augen verengt. Das Gesicht meines Gegenübers blieb glatt. Nichts von seinen innerlichen Gefühlen zeichnete sich dort ab.
Ich gelangte allmählich zu der Überzeugung, dass er mich ein wenig an der Nase herumführte und die Regie übernommen hatte.
»Du bist ein Templer«, sagte ich leise.
»Das stimmt.«
»Und Templer besitzen Wissen.«
»Häufig.«
»Was weißt du?«
Er lächelte. Dabei hob er die Augenbrauen an, sodass sich auf seiner Stirn Falten bildeten. »Viel zu wenig, John. Ich weiß viel zu wenig, glaub mir.«
Mit einer heftigen Bewegung riss ich mich los. »Tut mir Leid, das kann ich dir nicht glauben.«
Abbé Bloch wollte keine Diskussion mehr. Er hatte einen Arm angehoben und deutete auf die Rücken der mächtigen Bestien. Die Werwölfe hatten bereits einen Halbkreis um die Grabstätte gebildet, in der Mitte aber eine Lücke gelassen, sodass wir Manon Medoque erkennen konnten, die bereits vor der Grabstätte kniete und mit sich selbst sprach. Jeder, der sie verstand, hörte den Hass in ihrer Stimme.
»Wer immer du gewesen sein magst, dein verdammtes Kreuz kann mich nicht schrecken, das glaub mir. Ich sehe es, aber es hat keine Kraft. Ich werde es einfach ignorieren und das, was im Sarg liegt, endgültig vernichten. Das schwöre ich!«
Und sie griff zu!
Der Abbé und ich standen sehr günstig, sodass wir jede ihrer Bewegungen verfolgen konnten. Manon hatte den schweren Steindeckel in der Mitte und von beiden Seiten umklammert. Ich wusste, dass Werwölfe immense Kräftebesitzen, aber diese Steinplatte war selbst für eine solche Bestie zu schwer. Die übrigen Wölfe halfen nicht. Erst auf ihr Zeichen hin setzten sie sich in Bewegung.
Fünf von ihnen bückten sich und umklammerten den Steindeckel an verschiedenen Stellen.
Ich kümmerte mich nicht um sie, dafür sah ich den Mann neben mir an.
Der Abbé blieb ruhig. Er stand neben mir wie ein Denkmal. Aber seine Augen bewegten sich, ohne dass er den Kopf drehte. Und die Lippen hatten sich ein wenig verzogen, als wollte er lächeln, sich jedoch nicht trauen, seine Gefühle zu zeigen.
»Du weißt etwas!«
Der Abbé hob die Schultern. »Ich möchte dir trotzdem einen Rat geben, John! Wenn es so weit ist und sie den Deckel angehoben haben, halte dir die Hände vor die Augen.«
»Weshalb?«
»Das wirst du schon merken. Jedenfalls denk an meine Worte und tu dir den Gefallen.«
Allmählich wurde auch ich nervös. Das Grab aus der Vergangenheit musste einen sehr brisanten Inhalt bergen. Womit konnte man rechnen? Mit Staub? Mit irgendwelchen magischen Beigaben oder mit einem Menschen, der nicht gestorben, sondern zu einem uralten Zombie geworden war und jetzt zurückkommen wollte, um Rache zu nehmen?
Es gab zahlreiche Möglichkeiten. Trotz dieser Überlegungen hatte ich das Gefühl, dass die Wahrheit alles andere übertreffen würde.
Ein Rascheln aus der Umgebung ließ mich stutzig werden. Ich wollte mich umdrehen, weil ich plötzlich das Gefühl hatte, belauert zu werden, aber der Abbé merkte etwas von meinem Vorhaben und legte mir eine Hand gegen die Hüfte.
»Lass
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