0417 - Silbermond-Vampir
Gastgeber bin ich nur in Tendyke’s Home, aber auch da fliegst du schneller wieder ’raus, als du überhaupt die Umrisse des Hauses von weitem siehst. Ich traue dir nämlich keine Sekunde lang über den Weg, Alter!«
»Und du läßt mich nicht der jungen Mutter Glück wünschen und das Kind sehen? Wirklich nicht?« Bittend klang seine Stimme plötzlich, und Tendyke fühlte sich seltsam berührt, weil ein so bittender Sid Amos einfach nicht existieren konnte.
Dabei konnte er ihn doch so gut verstehen…
Aber er blieb unerbittlich.
»Deine Grüße werde ich ausrichten, und das reicht…«
»Aber diese Blumen darfst du doch ins Zimmer stellen…«
Nein! wollte Tendyke schon abwehren, als Sid Amos die Papierhülle öffnete und ihm die Blumen zeigte.
Blumen, wie er sie noch nie gesehen hatte.
Schwarze Blumen!
Tiefschwarz waren sie und schienen das Licht zu schlucken, das es in der großen Halle gab. »Die Blumen des Bösen…?«, entfuhr es ihm unwillkürlich, und er schreckte davor zurück, den Strauß zu berühren, den Amos ihm entgegenhielt.
Dabei waren diese schwarzen Blüten einfach prachtvoll in ihrer fantastischen Formgebung, und ein betörender, angenehmer Duft ging von ihnen aus, der die Sinne zu erweitern schien.
Aber gleichzeitig wußte Tendyke auch irgendwoher, daß dieser Rauschzustand, in den die schwarzen Blumen ihn bringen wollten, keine Sucht hervorrufen würden.
Und dann verstand er sich selbst nicht, als er die Blumen entgegennahm, gegen die er sich Augenblicke zuvor doch noch heftig gesträubt hatte.
»Das sind Gaias schwarze Blumen, Rob…«
»Gaias Blumen…?«
»Vor langer Zeit, an die sich fast niemand mehr erinnerte und in der selbst die ältesten Dämonen und Götter noch blutjung waren, ging die Erde schon einmal in einer gewaltigen Katastrophe unter, Rob. Der Himmel verfinsterte sich, und es gab keinen einzigen Funken Licht über der Erde, und es gab keinen einzigen Hauch Leben mehr, so umfassend war die Vernichtung. Aber die Erdgöttin Gaia pflanzte ihre Blumen, die schwarz sind, weil sie das Licht nicht brauchen, und diese schwarzen Blumen verbreiteten sich über die Erde und erzeugten neues Leben. So kam aus der tiefsten Finsternis wieder das wärmste Licht, und aus dem Tod entstand das neue Leben, wie nach der Nacht der neue Tag folgt. Als es aber wieder hell auf der Erde geworden war und neues Leben sich regte, zogen sich Gaias schwarze Blumen wieder zurück und verschwanden spurlos, weil ihre Aufgabe nun erfüllt war… Wenn abermals die Welt untergeht und das Leben stirbt, werden auch Gaias Blumen wieder hervortreten und wachsen, um neues Leben zu schaffen, Rob. Einige dieser Blumen waren immer in meinem Besitz. Und ich möchte sie dem Kind und euch allen schenken. Sie sind ein Symbol dafür, daß nach der Nacht etwas ganz Neues entsteht, etwas, das völlig anders ist… schöner… so wie das Leben schöner als der Tod ist und das Licht schöner als die angstbringende und tötende Finsternis… Deine Frauen sind die zwei, die eins sind. Dich kann niemand töten, wenn du nicht getötet werden willst, und du siehst die Welt des Unsichtbaren und vieles mehr. Ich sehe Julian, der all das in sich vereinigen wird und der als euer Kind eine ganz neue Art von Leben sein wird, wie du es damals warst, der immer einmalig bleiben mußte… und ich wünsche Euch alles Glück der Welt…«
Und Rob Tendyke sah die schwarzen, so wunderbaren Blumen an und fragte sich, wenn Sid Amos gegangen war, denn er saß schon seit einer nicht bestimmbaren Zeit allein in der Sitzgruppe und hatte nur noch Amos’ Stimme gehört, die aus dem Nichts zu ihm sprach.
Sid Amos selbst war gegangen, als er die Blumen verschenkte, wie er oftmals ging - von einem Augenblick zum anderen einfach verschwunden, über den kurzen Weg , vielleicht durch eine andere Welt, die nur für ihn erreichbar war. Eine Welt, aus der vielleicht auch Gaias Blumen stammten…
Und langsam erhob sich Tendyke. Wie ein Schlafwandler ging er zum Lift und fuhr hinauf in die magisch abgeschirmte Etage der Entbindungsstation. Asmodis, einst Fürst der Finsternis, hatte sich ihm in diesen Minuten von einer Seite gezeigt, die Tendyke nie zuvor in ihm hatte erkennen können. Dabei kannten sie sich doch schon so lange…
Aber dieser Asmodis war ein ganz anderer. Ein menschlich gewordener Asmodis, der Gefühle zu zeigen in der Lage war, der Zuneigung und Wärme kannte - und der vielleicht auch Angst hatte… ?
Und dann erzählte Rob
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