0417 - Silbermond-Vampir
übertreiben…
Schwestern und Ärzte hatten sich in den letzten Tagen an Tendykes etwas ungewöhnliches Auftreten gewöhnt und schenkten ihm kaum noch einen Blick, als er an ihnen vorbeieilte. Der Lift trug ihn abwärts. Auch wenn die Etage mit Weißer Magie abgesichert war, wollte er einen unerwünschten Besucher möglichst früh abfangen, ehe die Schutzmaßnahmen überhaupt wirksam werden mußten.
In Rekordzeit erreichte er den Empfang und sah in der großen Halle gerade einen Mann mit einem eigenartigen Blumenstrauß auf die Liftkabinen zu gehen.
Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen.
»Sid Amos…?«
Der blieb vor dem Abenteurer stehen und streckte die Hand aus. »Darf ich dir gratulieren, mein Sohn?«
»Du darfst nicht«, begrüßte Tendyke ihn unfreundlich. »Was du darfst, ist, eine Drehung um 180 Grad zu machen und auf dem schnellsten Weg wieder dorthin zurückzukehren, woher du gekommen bist, Alter!«
»Empfängt man so jemanden, der es wirklich nur gut meint?« beklagte Amos sich, ließ sich aber langsam zurückdrängen in Richtung der Sitzgruppen. »Ich bin wirklich nur einfach so hierher gekommen, ohne böse Hintergedanken…«
Tendyke zwang ihn, mit der Hand Amos’ Schulter pressend, sich zu setzen. Neben dem einstigen Fürsten der Finsternis, der jetzt in Caermardhin Merlins Statthalter war, ließ er sich nieder. Daß Sid Amos mit seiner Aufgabe unzufrieden war und lieber wieder ein höllisch freies Leben nach eigenen Regeln geführt hätte, war ein offenes Geheimnis, aber auch, daß außer Professor Zamorra und vielleicht Nicole Duval niemand aus der Crew der Dämonenjäger wirklich an den Sinneswandel des einstigen Oberteufels glaubte. Sid Amos stieß immer wieder und bei jedem auf Ablehnung. »Teufel bleibt Teufel, auch wenn er sich Schwanz und Pferdefuß kupiert und die Hörner gegen einen Heiligenschein umtauscht…«, hatte der Druide Gryf es einmal formuliert.
»Woher weißt du, daß wir hier sind? Und wieso kommst du, um zu gratulieren?« wollte Tendyke aggressiv wissen.
»Ich habe die telepathische Vorstellung deines Sohnes wahrgenommen und dachte, es sei nun an der Zeit…«
ICH BIN! fuhr es Tendyke durch den Kopf. Aber konnte jemand, der nicht zu den direkten Eingeweihten gehörte, wie es die Eltern nun einmal waren, aus dem dazugehörigen Gedankenbild so einwandfrei herausfinden, daß es sich bei dem Absender um das Telepathenkind handelte?
Zumal eigentlich nicht einmal eine Richtung hätte erkannt werden können…
In diesem Moment glaubte Tendyke, Sid Amos habe seine Gedanken lesen können,, weil der sagte: »Daß du einen Sohn bekommen hast, mußte mir doch so klar sein wie das Amen in der Kirche…«
Das mußt du als Ex-Höllenherrscher gerade so formulieren! dachte Tendyke. »Dir klar? Darf ich auch endlich mal erfahren, wie du zu dieser Erkenntnis gekommen bist? Und woher weißt du, daß es sich um einen Sohn handelt? Es könnte ja auch eine Tochter sein…«
»… die sich mit ihrem Ich-bin -Bild als Julian zu erkennen gibt?« Amos schüttelte den Kopf. »Ich wußte es schon lange, und dann habe ich einfach nachgerechnet und Tage gezählt. Es mußte, mit einem Unsicherheitsfaktor von etwa einer Woche, jetzt passieren, und als Julian sich meldete, wußte ich, daß nur er es sein konnte.«
»Du wußtest es lange…? Aber woher?« Tendyke war fassungslos und ratlos. »OKay, du bist einmal in Tendyke’s Home gewesen, weil wir unbedingt deine Hilfe benötigten und deine Anwesenheit sich nicht vermeiden ließ, bloß war dem Mädchen damals die Schwangerschaft doch noch nicht anzusehen…«
»Aber wenn drei denken, wo nur zwei zu sehen sind, darf ich doch wohl meine Schlüsse ziehen?« Amos schmunzelte. »Und daß du dich wunderst, daß ich Julians Bild entschlüsseln konnte, verstehe ich nicht. Du müßtest doch gerade am besten wissen, woher ich dazu in der Lage bin…«
Tendyke straffte sich.
»Na gut. Du hast jetzt Aufklärung geschaffen, du bist hier gewesen und hast dein Sprüchlein aufgesagt, und jetzt kannst ud einen direkten Abflug zurück nach Caermardhin machen… du kommst doch ohnehin in Schwierigkeiten, wenn du zu lange von dort fern bleibst, oder hat sich das inzwischen entscheidend geändert?«
Amos verneinte. »Du bist allerdings kein guter Gastgeber«, beklagte er sich.
»Gastgeber? Hier nicht. Hier haben die Ärzte das Hausrecht, mein Lieber, und ich werde dafür sorgen, daß man dich notfalls mit ’ner Polizeieskorte nach draußen bringt.
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