0418 - Das Richtschwert der Templer
leider konnten wir nicht fliegen.
Es gab kleine, in die Wände gehauene Gebetsnischen. Eine schlichte Bank und ein kleiner Altar luden den Betenden ein, hier länger zu verweilen. Uns interessierte etwas anderes. Jedes Kloster hat einen eigenen kleinen Friedhof. Da wir außerhalb der Mauern keinen entdeckt hatten, war es möglich, daß die Toten in der Tiefe begraben worden waren.
Wir passierten den Altar an seiner linken Seite und umrundeten ihn nicht, denn wir sahen die alte Steintreppe. Noch in Höhe des Altars führte sie in die Tiefe.
Suko hatte sich gebückt. Die Treppe interessierte ihn nicht, er untersuchte den Boden.
»Was hast du?« fragte ich ihn.
»Das sind Spuren von Menschen«, sagte er.
Ich war schnell bei ihm und erkannte, daß sich mein Freund nicht geirrt hatte. »Wer kann da hergegangen sein?« murmelte ich und sprach dabei mehr zu mir selbst.
»Weiß ich doch nicht.«
»Ich habe dich auch nicht gemeint, Dicker.« Mein Finger wies über die Stufen nach unten. »Da sind sie schwach zu erkennen. Das müssen mindestens zwei Personen gewesen sein, die nach unten gingen.«
»Mönche?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das Kloster sieht mir ziemlich unbewohnt aus, wie ich meine.«
»Dann kämen eigentlich nur der oder die Mörder Gordon Stanhopes in Frage.«
»Daran denke ich auch, Suko.«
Es hatte keinen Sinn, lange herumzurätseln. Wenn wir genau Bescheid wissen wollten, mußten wir selbst in die Tiefe unter der Kirche gehen. Eine Tür versperrte uns den Weg. In griechischer Sprache war dort etwas hineingeschnitzt worden. Den Text verstanden weder Suko noch ich.
Aber die Tür war offen. Das merkten wir sehr schnell, als wir die schwere Eisenklinke nach unten drückten. Als die Tür aufschwang und ich über die Schwelle trat, hatte ich das Gefühl, in eine finstere Gruft zu sehen.
Ich spürte den Odem der Zeit, der mir von unten her entgegenwehte. Ein kalter Hauch, wie aus dem Totenreich stammend. Er ließ mich frösteln. Suko hielt seine Lampe in der rechten Hand. Als er sie einschaltete, riß der weißblaue Halogenstrahl die Finsternis auf und zeigte uns ein düsteres Mauerwerk.
An vielen Stellen glitzerte Feuchtigkeit. Kerben und Risse waren Schlupfräume für allerlei Käfer und Kriechtiere. Feuchte Spinnennetze klebten ebenfalls an den Steinen und schimmerten grünlich.
Das alles nahmen wir gewissermaßen am Rande wahr. Wichtiger waren die beiden Gänge. Einer befand sich rechts von uns, der andere links, und wir konnten uns einen aussuchen. Das war natürlich nicht gut.
Suko dachte ebenso wie ich. »Stellt sich die Frage, ob wir gemeinsam gehen oder uns trennen.«
»Eine Trennung wäre riskant. Wir wissen nicht, was uns erwartet.«
»Aber wir könnten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.«
»Das stimmt.«
»Also Trennung?« fragte Suko.
Ich nickte, obwohl mir die Sache nicht recht gefallen wollte.
»Welche Seite nimmst du?« fragte Suko.
Da ich links von ihm stand, entschied ich mich für diese.
Mein Partner war einverstanden. Er schlug mir noch einmal auf die Schulter. »Machen wir eine Uhrzeit aus?«
»Ja. Sagen wir in einer Stunde.«
»Besser dreißig Minuten später.«
»Auch das.«
»Und wenn einer von uns nicht zurückkommt, muß der andere ihn suchen.«
»Einverstanden.«
Wir verabschiedeten uns. Beide fühlten wir uns nicht wohl, aber manchmal gibt es Dinge, da muß man die persönlichen Gefühle einfach im Interesse der Sache zurückstellen…
***
»Wenn einer von uns nicht zurückkommt, muß der andere ihn suchen.«
An diese Worte meines Freundes Suko dachte ich, als ich auf dem Gitter lag und meinen Blick starr auf das verdammte Uhrwerk gerichtet hielt.
Eine halbe Stunde war vorbei. Die Hälfte der mir zugestandenen Zeit. Jetzt hatte ich nur noch 29 Minuten zu leben. 29 Minuten Todesangst und gleichzeitig auch Hoffnung, daß ich trotzdem noch aus dieser verdammten Misere herauskam.
Die Chancen dafür standen leider mehr als schlecht.
Unter mir stand der Rothaarige noch immer auf der Treppe. Er hatte den Kopf wieder gesenkt und ließ den Rest der alten Steintreppe schnell hinter sich.
Vielleicht war es sogar gut so, daß dieser Mann erschien. Seine Gegenwart lenkte mich von meinen eigenen Problemen ab, wenn ich ihn bei seinen Handlungen beobachtete.
Vor der letzten Stufe blieb er geduckt stehen. Der Mann erweckte den Eindruck eines witternden Raubtiers. Das blasse Licht umgab seinen Kopf wie ein Schleier. Zudem fiel es auf das Gesicht, das einen
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