0418 - Die Waldhexe
überschlugen sich.
Kein normaler Mensch hatte solche Zähne. Vampirin, hatte Valdez sie jetzt gerade genannt. Vampire gab’s aber doch nur in der Nacht. Sonnenlicht tötete sie - sofern sie überhaupt existierten. Das Übersinnliche war ein Fall für sich. Lopez hatte nie daran glauben wollen. An Hexen ebensowenig wie an Vampire.
Aber diese Zähne…
Im Reflex hatte er zur Waffe gegriffen, als Valdez zurückprallte und gegen ihn stieß. Die Vampirin, oder was auch immer sie war, diese Fremde, die Lopez noch nie zuvor im Dorf gesehen hatte, reagierte sofort auf den Anblick der Pistole in seiner Hand. Sie schnellte sich vorwärts, mit schier übermenschlicher Kraft. Sie flog sie Treppe herab, jagte mit ausgebreiteten Armen auf die beiden Männer zu.
Lopez schoß.
Die Kugel verfehlte die Vampirin. Sie stieß Valdez zur Seite, versetzte Lopez einen Schlag, der ihn schmerzerfüllt aufschreiend zusammenbrechen und die Waffe verlieren ließ. Valdez warf sich sofort auf die Pistole, die entsichert war, riß sie hoch und schoß. Er feuerte, bis das Magazin leer war. Die Detonationen ließen Lopez fast taub werden. Die Lederfrau jagte die Treppe wieder hinauf, fast schneller, als Valdez schießen konnte. Lopez hatte seinen Schmerz überwunden. Er stürmte hinter der Frau her, ungeachtet dessen, daß er jetzt unbewaffnet war. Immerhin hatte die Frau auch keine Waffe benutzt. Und Valdez hatte das Magazin ohnehin leergeballert, dieser verdammte Narr.
Die Frau war schon oben, als Lopez die Treppe erreichte und hinterher stürmte. Eine Tür wurde zugeschlagen. Er warf sich mit Macht dagegen, das Schloß zerbarst, und er flog förmlich in ein Gästezimmer, rollte sich ab. Er hörte es klirren.
Die Frau war durchs Fenster gesprungen!
Mit einem Satz war Lopez an der Fensterbank, beugte sich hinaus. Ein Stockwerk tiefer war die Frau mit den Vampirzähnen sicher auf beiden Füßen aufgekommen und stürmte jetzt davon, floh in weiten Sprüngen durch die Gärten hinter den verstreuten Häusern.
Lopez wagte es nicht, den Drei-Meter-Sprung nachzuvollziehen. Er war nicht sicher, ob er das ohne Knochenbruch oder Verstauchungen überstehen würde. Er nahm den Weg zurück über die Treppe und verlor dadurch Zeit.
Valdez hatte das Haus bereits verlassen.
Als auch Lopez nach draußen kam, hatte die Situation sich gerade drastisch verändert…
***
Im gleichen Moment, als Nicole den ungepflegten Mann wiedersah und hinter ihm einen Polizisten, der sofort zur Pistole griff, schloß etwas in ihr kurz.
Vampirinstinkte übernahmen die Kontrolle. Nicole war nicht mehr sie selbst, als sie sprang und damit versuchte, den Schüssen zuvorzukommen. Sie wußte, daß die Kugeln sie verletzen konnten. Schon einmal, nach ihrer Rückkehr vom Silbermond, war sie drüben in Italien durch einen Schuß verletzt worden. Die Wunde hatte sich zwar geschlossen, aber sie war trotzdem schmerzhaft gewesen. Außerdem hatte es sich um einen Streifschuß gehandelt. Was geschah, wenn eine Kugel in ihr Lebenszentrum schlug, wagte Nicole sich nicht vorzustellen. Ob dann ihre vampirischen Selbstheilungskräfte noch wirksam wurden, wußte sie nicht. Schließlich war sie kein normaler Vampir…
Sie stieß den Ungepflegten zur Seite, schlug den Bewaffneten nieder, konnte aber dabei trotz ihrer Schnelligkeit nicht verhindern, daß der andere die zu Boden fallende Waffe ergriff und sofort schoß.
Der Vampir in Nicole ergriff die Flucht, wie jeder Blutsauger, der sich in Gefahr sieht.
Sie floh, auch als nicht mehr geschossen wurde, und sie schlug die Richtung ein, die die Hexe Silvana ihr gewiesen hatte.
Erst als sie ihr Ziel fast erreicht hatte, wurde ihr klar, daß sie närrisch gehandelt hatte. In einer Kurzschlußreaktion, instinktgesteuert durch das Vampirische in ihr. Nicht so, wie eine normale Nicole Duval gehandelt hätte.
Und das konnte jederzeit wieder passieren!
Sie war nicht mehr sie selbst!
Und sie bekam immer mehr Angst vor den fremden Reaktionen in ihr, die jederzeit die Kontrolle übernehmen konnten…
***
Silvana, die Hexe, war mißtrauisch geworden, als sie Valdez in Polizeibegleitung zurückkehren sah.
Sofort brachte sie das mit sich selbst in Verbindung. Sie hatte sich ihm zwar nicht als Hexe zu erkennen gegeben, und er zeigte auch nicht, daß er sie für eine Hexe hielt, aber ganz umsonst hatte er den Polizisten sicher nicht geholt. Und da hörte sie auch schon, kaum ins Freie getreten, den Aufschrei: »Da, die Hexe, die Vampirin! Schnell,
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