0418 - Die Waldhexe
liebst. Du liegst unter einem Fluch, den du allein nicht brechen kannst. Du bist auf der Flucht…«
Nicole starrte sie verwundert an.
»Öffne deine Aura, daß ich mehr von dir sehen kann«, verlangte die Hexe. »Oder magst du das nicht, Schwester?«
»Du kannst mir nicht helfen«, stieß Nicole hervor. »Ich bin eine Vampirin, verstehst du?«
»Ja. Aber vielleicht kann ich dennoch etwas machen. Öffne dich, dann sehe ich mehr.«
»Ich öffne mich nicht«, murmelte Nicole. Wenn sie es tat, fand Zamorra eine Chance, sie aufzuspüren. Und das wollte sie vermeiden.
Vielleicht würde sie dem Drang bereits in der nächsten Nacht nicht mehr widerstehen können…
»Hast du keine Angst vor mir? Warum nicht? Ich könnte dein Blut trinken.«
»Ich weiß, daß du es nicht tun wirst, Schwester«, sagte die Hexe. »Du bist anders. Wenn du willst, daß ich etwas für dich tue, dann gehe zum Wald.« Sie beschrieb Nicole einen Weg hinaus auf das Brandrodungsfeld und darüber hinaus. Eine sehr detaillierte Beschreibung, die den Weg zu einer kleinen Hütte mitten in der Wildnis wies.
»Warum sagst du mir das alles?« wunderte Nicole sich.
»Damit du eine freie Entscheidung treffen kannst«, erwiderte die Hexe. »Niemand außer mir kann dir diesen Weg zeigen. Niemand kennt ihn. Niemand weiß, wo genau Silvana wohnt. Du weißt es nun. Ich vertraue dir, daß du mich nicht verrätst. Denn dann müßte ich dich töten.«
»Aber das willst du nicht…«
»Ich habe getötet, aber es ist nicht meine Art… ich habe dir gesagt, wo du mich finden kannst, wenn du willst. Ich gehe wieder zu meiner Zuflucht, die auch deine sein kann.«
Sie wandte sich ab.
Nicole starrte sie an. Sie war sich nicht sicher, was sie von diesem Angebot halten sollte.
Was bewog diese Hexe, die sich Silvana nannte, zu ihrem Hilfsangebot? War es wirklich uneigennützig? Oder steckte etwas anderes dahinter? Eine Falle…?
Zamorra und sie hatten schon öfters mit Hexen zu tun gehabt. Im Regelfall handelte es sich um Schwarzmagierinnen, die bösartig waren und ihre Gegner zu unterdrücken oder zu vernichten versuchten. Hier aber hatte Nicole keine dunkle Aura feststellen können, eher ein diffuses Grau. Sie konnte Silvana nicht einordnen. War sie eine Weiße oder eine Schwarze Hexe? Eine Vernichterin und Teufelsbuhlin, oder eine Weise Frau?
Nicole erkannte, daß sie es nur erfahren würde, wenn sie auf das Angebot einging.
Silvana befand sich bereits wieder unten.
Da ertönten Stimmen.
Neugierig stieg auch Nicole die Treppe hinunter. Offenbar war dieses Haus, in dem angeblich niemand nach ihr fragen würde, doch nicht ganz so unbelebt oder uninteressant. Vielleicht würde sie wirklich eine bessere Zuflucht finden, wenn sie in den Wald ging und das Angebot der Hexe annahm…
Sie ahnte noch nicht, was auf sie wartete…
***
Valdez war vorausgegangen und betrat die Bodega. Lopez folgte ihm. Dieser arrogante Polizist würde sich noch wundern. Wenn das hier vorbei war, wollte Valdez alle Hebel in Bewegung setzen, um Lopez fertigzumachen. Und mit seinen geschäftlichen Verbindungen konnte Valdez auch politischen Druck ausüben…
Aber vorläufig hatte er es mit Lopez zu tun, war halbwegs auf diesen angewiesen.
Er begegnete wieder der jungen Frau von vorhin, die er draußen fast umgerannt hatte. Sie kam gerade aus den oberen Etagen zurück.
Lopez hob die Brauen. Daß eine Frau hier war, überraschte ihn ein wenig. Er glaubte sie zu kennen. Sie war schon einige Male im Dorf gewesen, wohnte aber nicht hier, sonst hätte er sie näher gekannt. So wußte er nicht einmal ihren Namen.
»Meinen Sie die, Senhor?« fragte er spötisch.
Valdez knurrte etwas. Er schütelte den Kopf. Lopez wich einen Schritt zur Seite und ließ die Frau vorbei, die dem Ausgang zustrebte. Sie warf Valdez einen nachdenklichen Blick zu.
Als sie draußen war, deutete Valdez auf die Zwischentür. »Sie muß noch da oben sein.«
»Falls sie nicht in der Zwischenzeit auf ihrem Besen durch den Kamin davongeritten ist«, spöttelte Lopez. »Was soll der ganze Unsinn eigentlich? Wollen Sie nicht endlich damit aufhören?«
Valdez stieß eine Verwünschung aus und schob die Zwischentür auf.
Er schrie auf und prallte zurück.
Er sah die in schwarzes Leder gekleidete Frau auf der Treppe - und er sah ihren halb geöffneten Mund.
Die Zähne…
»Da ist sie!« schrie er. »Da - die Hexe, die Vampirin! Schnell, Lopez…«
Auch Lopez sah die Vampirzähne der fremden Frau.
Seine Gedanken
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