0418 - Die Waldhexe
sollte dieser Hexe gehören, raunte man sich zu. Offenbar wollte jemand aus unbekannten Gründen verhindern, daß Menschen sich dort ausbreiteten. Aber dort war das fruchtbarste Land dieses Bereiches. Sie würden dorthin gehen müssen, wenn hier endgültig alles vorbei war.
Auf Valdez’ Stirn schwoll eine Zornesader.
»Hören Sie, Polizist«, knurrte er.
»Sie haben mir gestern schon nicht glauben wollen. Aber ich lasse mich nicht von Ihnen einen Lügner schimpfen. Kommen Sie mit, oder ich sorge dafür, daß bekannt wird, wie lasch Sie Ihren Dienst versehen und daß man Sie versetzt. Vielleicht als Verkehrspolizist an eine dicht befahrene Kreuzung, wo Sie von den Abgasen…«
»Genug!« bellte Lopez. »Halten Sie den Mund. Ich habe es nicht nötig, mich von Ihnen bedrohen zu lassen. Werden Sie vernünftig, oder ich sperre Sie einen Tag ein. Das könnte Ihnen guttun. Offenbar sind Sie noch nicht wieder richtig nüchtern geworden.«
Valdez schnappte nach Luft. So hatte noch nie jemand mit ihm zu sprechen gewagt. Dieser tumbe Dorfpolizist mußte größenwahnsinnig sein… oder er besaß zuviel Rückgrat, um sich jemals zu biegen. Dann würde er eben zerbrochen werden. Für Beamte mit Rückgrat hatte Valdez kein Veständnis. Zoro hatte es auch nie gehabt.
»Sie versuchen eine Mörderin zu schützen«, fauchte Valdez. »Silvana ist hier, ich habe sie gesehen, habe mit ihr gesprochen!«
»Und Sie leben noch?« Lopez grinste spöttisch. »Ihren Freund hat sie umgebracht, und Sie hat sie einfach leben gelassen? Wirklich, Sie müssen ein großer und starker Mann sein, Senhor. Ich ziehe meinen Hut.« Er griff nach seinem Kopf und schwenkte eine imaginäre Kopfbedeckung durch die Luft.
Valdez verzog das Gesicht. Er stand kurz vor einer Explosion.
»Na schön«, sagte Lopez. »Zeigen Sie mir Ihre Hexe. Machen Sie sich ruhig lächerlich. Aber danach werden Sie einige unangenehme Minuten erleben, Valdez.« Er wandte sich um, griff nach dem Dienstkoppel mit der großkalibrigen Pistole und schnallte es sich um. Normalerweise brauchte er die Dienstwaffe hier nicht, es sei denn, er mußte eine Schlange oder einen Skorpion erschießen, weil sich die Leute nicht an die zuweilen in die Häuser kriechenden Biester rantrauten. Aber dieser Valdez sah so aus, als würde er Schwierigkeiten machen, und Lopez mochte keine körperlichen Auseinandersetzungen. Da war es wesentlich einfacher und weniger anstrengend, Valdez vor der entsicherten Mündung der Dienstwaffe kapitulieren zu lassen, wenn er wirklich Ärger machen wollte.
Valdez deutete die Bewaffnung so, daß Lopez ihm wenigstens halbwegs glaubte und bereit war, die Waffe gegen die Hexe einzusetzen. »Glauben Sie, daß Sie damit gegen Zauberei ankommen?«
»Für. Glaubensfragen bin ich nicht zuständig«, verwies Lopez ihn kalt. »Da wenden Sie sich besser an Pater José. Gehen Sie voraus, Sie Hexenforscher.«
Er folgte Valdez, der vor Zorn kochte über diese Abfuhr. Aber Lopez hatte nicht vor, sich zum Narren halten zu lassen von diesem fremden Städter, der nur hier war, um die Landnahme zu organisieren.
***
Nicole starrte die fremde Frau an. Die Dunkelhaarige mit den fast schwarzen Augen wirkte wie eine Zwanzigjährige. Aber etwas an ihr verriet Nicole, daß sie wenigstens die Dreißig erreicht hatte.
Und da war noch etwas.
Diese Frau war eine Zauberin. Sie war eine Wissende. Nicole spürte es, ohne ihre Telepathie einsetzen zu müssen. Es war etwas, das sie ganz einfach an der Ausstrahlung der anderen sah.
Im ersten Moment standen sie sich als Gegnerinnen gegenüber. Nicole hatte gefühlt, daß jemand die Treppe heraufkam, und sich instinktiv abwehrbereit gemacht. Und es hatte auch ganz kurz so ausgesehen, als wolle die Fremde angreifen.
Aber sie griff nicht an.
Sie ließ die Hände wieder sinken, entspannte sich.
Nicole hatte etwas Mühe, das Portugiesisch zu verstehen. »Ich beherrsche deine Sprache nicht so gut«, sagte sie auf englisch. Augenblicke später wunderte sie sich über sich selbst. Eine Hexe in Brasilien - warum sollte die englisch verstehen? Aber sie verstand es und bewies damit, entweder außerordentlich befähigt zu sein oder - die Sprache gelernt zu haben.
Sie wiederholte ihr Angebot.
»Mir helfen?« Nicole runzelte die Stirn. »Du kennst mich doch gar nicht. Und ich glaube nicht, daß du in der Lage bist, mir wirklich helfen zu können.«
»Ich sehe, daß du verzweifelt bist«, sagte die Hexe. »Du liebst und willst nicht zerstören, was du
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