0418 - Die Waldhexe
die Mündung seiner wieder geladenen Waffe blicken. »Sie sind festgenommen wegen Mordes an…«
Er verstummte unter ihrem Blick.
»Hexe! Hexe!« tönte es murmelnd in der Menge auf. Jemand rief: »Du mußt sie in Eisen legen, Julio! Eisen bindet Hexenkraft…«
War das nicht schlimmster Aberglaube aus dem Mittelalter, als Frauen von der Inquisition als Hexen verfolgt wurden?
Aber wenn es Hexen wirklich gab, wie diese hier es Lopez bewiesen hatte, indem sie Valdez zu Staub zerfallen ließ, war dann nicht auch an anderen Dingen etwas dran?
Eisen band Hexenkraft!
Er hatte Eisen bei sich. Es hing an seinem Dienstkoppel. Die Handschellen!
Einer der Zuschauer, der sich am mutigsten von allen fühlte, half Lopez und legte der Hexe Handschellen an. Als sie ihn finster anstarrte, bekreuzigte er sich dreimal und wich zurück. Lopez hielt es nicht für falsch, sich ebenfalls einige Male zu bekreuzigen, obgleich er immer noch in Zweifeln gefangen war. Aber sobald er an den Staub dachte, wurden seine Zweifel kleiner.
Er brachte Silvana, die Hexe, in jene Zelle in seinem Haus, die eigens als Mini-Gefängnis hergerichtet war und die bisher nur hin und wieder mal Betrunkene zur Ausnüchterung beherbergt hatte.
Und dann saß Lopez in seinem kleinen Wohnbüro und war ratlos. Was sollte er mit dieser Mörderin anfangen, die eine Hexe war und mindestens drei Menschen auf dem Gewissen hatte?
Zum ersten Mal in seinem Leben stand er vor einem Problem, das er nicht lösen konnte…
***
Taró Húlú spielte mit den Steuerhebeln des Helikopters. Der Hubschrauber zog eine weite Schleife und nahm wieder Kurs auf Pôrto Velho, die Stadt am Rio Madeira. Da zuckte Zamorra zusammen.
»Moment mal…«
Húlú verzögerte den Kopter. Er wandte den Kopf. »Haben Sie Ihr Ziel doch noch gefunden, Senhor?« Er lächelte.
»Noch mal zurück!« kommandierte Zamorra.
Der Pilot nickte. Er brachte den Hubschrauber wieder auf den alten Kurs.
»Tiefer…«
Am Dorfrand stand ein Geländewagen. Alt, angerostet, die offene Pritsche mit Benzinkanistern bepackt. Und da war noch etwas, das Zamorra aus der Höhe nicht genau einordnen konnte.
Aber der Hubschrauber senkte sich bereits herab.
Ein Geländewagen war hier nichts Ungewöhnliches. Im Gegenteil - er war die beste Chance, fast überall einigermaßen voranzukommen. Wenn die Regenzeit die Straßen in Schlammbahnen verwandelten, war mit normalen Autos kein Durchkommen mehr möglich. Auch die vielen Kanister waren an sich nicht ungewöhnlich.
Aber trotzdem gaben sie Zamorra zu denken.
Von der Zeit her konnte es stimmen… der Hubschrauber flog schneller als ein Auto fahren konnte… und vielleicht war dies der Wagen, mit dem Nicole gekommen war…?
Aber warum stand der Wagen dann am Dorfrand und nicht mitten in der Ortschaft, wenn Nicole schon hierher gekommen war?
»Runter mit der Kiste…«
Wortlos setzte Húlú zur Landung neben dem Geländewagen an. Als der Kopter auf seinen Kufen neben dem Wagen aufsetzte, schwang Zamorra, der den Sicherheitsgurt bereits einen Meter über dem Boden gelöst hatte, sich ins Freie. Er befühlte die Motorhaube des Wagens. Sie war warm. Das hieß, daß das Fahrzeug noch nicht sehr lange hier stehen konnte. Es war bewegt worden…
Zamorra kletterte hinter das Lenkrad und betrachtete die Instrumente. Der Zündschlüssel steckte; er drehte ihn auf die Ein-Stellung. Die Zeiger sprangen hoch. Das Fernthermometer fürs Kühlwasser zeigte Hitze an. Der Wagen mußte sehr lange mit hoher Drehzahl gefahren worden sein. Als Zamorra ihn zu starten versuchte, hatte er leichte Schwierigkeiten. Heißstartprobleme…
Er schaltete den Motor wieder ab und war jetzt fast sicher, das Fahrzeug vor sich zu haben, das Nicole benutzt hatte. Als er dann hinten die Ladepritsche begutachtete, sah er eine Reisetasche zwischen den Kanistern. Das war das Teil, das er aus der Luft heraus nicht eindeutig hatte erkennen können.
Er war so frei, sie zu öffnen und sah Frauenkleidung. Die Größe stimmte auch.
Er nickte und schloß die Reisetasche wieder. Dann ging er zum Hubschrauber zurück, dessen Rotoren im Leerlauf drehten und Staub aufwirbelten.
»Ich bin am Ziel, Taró«, rief er dem Piloten zu.
»Soll ich zurückfliegen, Senhor?« fragte der.
Zamorra schüttelte den Kopf. »Noch nicht, Taró. Ich bezahle auch Ihre Wartezeit.«
Húlú nickte. »Wollen Sie ins Dorf? Steigen Sie ein. Die paar Meter können Sie auch noch fliegen…«
Zamorra grinste. Warum nicht? Darauf kam es
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