0419 - Der Grusel-Star
als ich.
Und das aus einer Zeit, die sich nicht als aufgeklärt und überheblich gab wie unsere.
Wahrscheinlich hatten die Menschen damals ihr Leben noch anders gesehen und sich instinktiv mit der Seelenforschung und den Dingen, die jenseits davon lagen, beschäftigt.
Das war nicht mein Problem, obwohl ich es gern zu dem meinen gemacht hätte, weil mich die Metaphysik mehr interessierte als die reine Physik. Doch ich konnte nur durch Magie ein kleines Fenster in die Vergangenheit aufstoßen und einen Blick hineinwerfen.
Der Fischtrawler tuckerte vor sich hin. Es war schon ein älterer Kahn, doch gut in Schuß. Dafür hatte Nikos gesorgt, und er war es auch, der uns von der Winde scheuchte.
»Ich muß sie einziehen!« erklärte er. »Wir haben etwas im Netz.«
Wir standen auf. »Was denn?« fragte ich.
Er lachte wieder. Der Wind wirbelte sein schwarzes Haar in die Höhe. Trotz des relativ kühlen Wetters trug Nikos nur Jeans und einen leichten gestreiften Pullover, der ihm bis zu den Hüften reichte. »Wenn ich das wüßte, John.«
»Gibt es hier auch Haie?« fragte ich.
»Nein.« Er hatte so überzeugend geantwortet, daß wir ihm beide glaubten. Nikos brauchte die Winde nicht mehr durch Muskelkraft zu betätigen. Ein Elektromotor nahm ihm diese Arbeit ab. Wir hörten das Quietschen der fingerdicken Stahltrosse, die über eine Rolle gezogen wurde.
Im Gegensatz zu den Booten der Hochseeflotte ließ sich das Heck dieses Trawlers nicht abkippen, so daß das Netz über die Bordwand geholt werden mußte. Es war auch nicht so gewaltig wie bei den anderen Schiffen. Vater und Sohnwaren ein eingespieltes Team.
Während Nikos die Winde betätigte, hatte sein Vater den Motor abgestellt, so daß der Trawler von den Wellen und der langen Dünung getrieben wurde.
Ich blickte zum Ufer hinüber. Die felsige Küste lag zum Greifen nahe, aber das täuschte. Sie war doch noch einige Meilen entfernt, und von der Touristensiedlung, unserem Ziel, sahen wir auch noch nichts. Dieser Strandabschnitt lag noch hinter einer Felsnase verborgen.
Während die Winde lief und ihr Quietschen sogar das Rauschen des Meeres übertönte, dachte ich an Akim Samaran, an einen Menschen, der sich zuerst mit dem Teufel verbündet hatte, ihm anschließend untreu geworden war, um Kontakt mit dem Spuk aufzunehmen. Der Spuk hatte ihn zunächst gefördert und für ganz große Ziele ausersehen. Ich dachte an den Konzern Acron, den Samaran gern geleitet hätte, wir aber hatten ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht, und der Spuk, ebenfalls von ihm und seinem Können nicht mehr überzeugt, hatte ihn fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Samaran mußte von vorn beginnen, wieder klein anfangen, denn er wollte seinem ehemaligen Mentor beweisen, daß er mehr konnte. Deshalb hatte er sich praktisch in den Komplex der Templer festgebissen. Hector de Valois war für ihn zu einer Kultfigur geworden. Sein Wissen wollte auch er besitzen, um über den Dunklen Gral und auch Aibon alles zu erfahren.
Es war ihm nicht gelungen.
Das Richtschwert der Templer hatte sein letztes Opfer gefunden.
Im nachhinein empfand ich es sogar als nicht einmal negativ. Wir waren damit eine Sorge losgeworden.
Ich hatte schon damit gerechnet, in Akim Samaran einen ähnlichen Gegner wie damals Solo Morasso, alias Dr. Tod, zu erleben.
Nun, diese Rechnung war zum Glück nicht aufgegangen.
Die Winde arbeitete noch immer. Der Kahn schaukelte auf der langen Dünung. Ich schaute zum Bug hin, wo die Aufbauten des hölzernen Ruderhauses in einem neu gestrichenen Gelb aufragten.
Im offenstehenden Durchgang lehnte Nikos’ Vater und kaute auf seiner alten Pfeife.
Ich blickte wieder zum Heck. Die Winde hatte das Stahlseil fast völlig aufgerollt. Das Netz tauchte auf.
Silbrig glänzende Fischleiber von unterschiedlicher Größe zappelten in dem Netz. Es wurde an Bord gezogen und geleert. Die Fische verschwanden im Bauch des Schiffes.
Nikos stellte die Winde ab. Sein Vater rief ihm etwas zu, der Sohn winkte nur ab. Dann ging der Vater um das Netz herum, weil er es sich von der Steuerbordseite ansehen wollte.
Wir hörten seinen Schrei!
Für einen Moment noch standen Suko und ich starr, bevor wir losrannten und dabei achtgeben mußten, auf den feuchten Planken nicht auszurutschen.
Nikos hatte sich einige Schritte vom Netz entfernt. Unter der Sonnenbräune war seine Haut blaß geworden. Er starrte nur auf eine bestimmte Stelle des Netzes, ohne etwas zu sagen.
Das brauchte er nicht,
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