042 - Die Schweinemenschen von Rio
schlotternden Knien den daliegenden Körper an.
Neiva schlug ihm die Pistole aus der Hand, und während Alvez' Frau noch lauter und schriller schrie, als sei sie wahnsinnig geworden, stürzte er aus der Wohnung.
Das Dämmerlicht bereitete Neiva Schmerzen und Unbehagen. Er wusste, dass er den Tag über ein dunkles Versteck finden musste. Am Abend wollte er versuchen, das Hochhaus der okkultistischen Freimaurer zu erreichen. Er dachte flüchtig daran, dass am Nachmittag dieses Tages Jeff Parker mit diesem Dorian Hunter in Rio eintreffen wollte, aber es war Neiva unmöglich, Parker und Hunter am Flughafen abzuholen; er hatte jetzt ganz andere Sorgen.
Wir lagen am Strand der Copacabana und ließen uns in der Sonne braten, dick mit Sonnenöl eingeschmiert. Die heißeste Jahreszeit – Januar und Februar – war zwar vorbei, aber jetzt, Anfang Mai, war es auch nicht gerade kalt. Eine halbe Stunde genügte für einen ordentlichen Sonnenbrand, wenn man sich nicht schützte. Früher einmal sollte eine Viertelstunde für einen Sonnenbrand ausgereicht haben, aber inzwischen hatte sich auch über der Märchenstadt Rio de Janeiro eine Abgasglocke gebildet, die die Sonnenstrahlen filterte.
Vor uns toste die Brandung, hinter uns, auf der achtspurigen Avenida Atlantica, brauste der Großstadtverkehr. Rios Strände mochten einmal makellos weiß gewesen sein, jetzt hatte man mit hartnäckigen Teer- und Ölflecken an den Füßen zu rechnen, wenn man barfuss ging. An Schwimmen war auch nicht mehr zu denken, denn seit die Avenidas verbreitert und die Strände künstlich aufgeschüttet waren, brandeten die haushohen Wellen bis unmittelbar an den Strand heran. Wer sich hinauswagte, musste seine Knochen nummerieren. Überall passten Rettungsschwimmer auf und ließen die Trillerpfeifen erklingen, wenn allzu Wagemutige mehr wollten, als sich von den Wellen benetzen lassen.
Um uns herum plärrten Radios. Badeschönheiten trugen ihre Tangas spazieren, jene knappen vier Stoffdreiecke, die den Namen Badeanzug eigentlich gar nicht verdienten. Auch die Inkaprinzessin und Sacheen hatten sich Tangas zugelegt, und sie wären keine Frauen gewesen, wenn sie nicht am Strand entlangflaniert wären und die bewundernden Blicke und Pfiffe der Männer genossen hätten.
Ich ließ ihnen das Vergnügen und flirtete mit einer Schwedin mit beachtlichem Sonnenbrand zwei Liegestühle weiter. Ein Pfeifkonzert zeigte mir an, dass Sacheen und Machu Picchu zurückkehrten. Da eines der typischen Nachmittagsgewitter heranzog, packten wir unsere Sachen zusammen, spülten an einer Dusche das Öl ab und zogen uns an.
Wegen des Gewitters fuhren wir nicht hinauf durch den Nationalpark Pico de Tijuca zum Gipfel des Corcovado, von dem aus man Rios Gesamtpanorama mit allen Stränden, der künstlichen Lagune Rodrigo de Freitas, den Botafogo, den größten botanischen Garten der Welt, den Zuckerhut, die beiden Flughäfen und die neuen und alten Stadtviertel sehen konnte. Stattdessen schaukelten wir mit einem Sightseeing-Schiff der Use Turismo ein Stück hinaus auf den Atlantik. An Bord gab es die üblichen Sambatrommeln und Rumbarasseln, heiße südamerikanische Rhythmen und Zuckerrohrschnaps an der Schiffsbar. Der Gag dabei war, dass wir bis knapp über die Drei-Meilen-Grenze hinausfuhren und Schnaps und Zigaretten dann unverzollt kaufen konnten.
Deshalb war ich aber nicht mitgefahren. Als das Gewitter sich verzogen hatte, bot sich uns ein herrlicher Ausblick auf Rio. Wir sahen die dunklen Kuppen des Zuckerhuts und der zahlreichen anderen Hügel, die Serpentinen der Küstenstraßen und die weißen Häuser an den Hängen. Im Westen gleißte die Spätnachmittagssonne über den modernen Hochhäusern.
Die Silhouette von Manhattan mag von der See her imponierender aussehen, aber die von Rio ist unvergleichlich schöner. Zum ersten Mal, seit wir nach Rio gekommen waren, spürte auch ich den Zauber dieser Stadt. Ich kaufte mein Quantum an zollfreien Zigaretten, dann ging es wieder zurück zur Anlegestelle. Der schöne Nachmittag war vorbei; der Ernst des Kampfes gegen die Dämonen begann wieder.
Ich fragte mich, was Jeff Parker während unserer Abwesenheit getan hatte. Hoffentlich hatte er sich nicht in Gefahr begeben. Als wir von Bord gingen, küsste mich Machu Picchu am Kai. In ihren Augen und in ihrem Lächeln las ich den Dank für das, was ich ihr an diesem schönen Nachmittag geboten hatte.
Ein sehr ernster Jeff Parker erwartete uns im Penthouse. Er hörte kaum auf das,
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