042 - Die Unsterblichen
ob sie zu sich selber spräche.
»Jung, ungestüm und voller Stolz, weil er ein paar Brocken aus den Alibates erbeutet hatte.« Matt horchte auf. Das einzigartige Naturdenkmal des Staates Texas war ihm selbstverständlich bekannt. »Die hiesigen Indianer haben den Feuerstein Tausende von Jahren benutzt, um Werkzeuge und Waffen fürs tägliche Leben anzufertigen«, bestätigte er. »Es ist schon fast eine Ironie, dass der Steinbruch wieder solche Bedeutung erlangt hat.«
Sämtliche Vorderlader, die in den Straßen lagen, wären ohne Feuersteine funktions- untüchtig gewesen. Doch statt auf eine der Büchsen zu achten, fixierte Matt das Gesicht der Fremden. Zufrieden registrierte er das überraschte Aufblitzen in ihren Pupillen. Sie hatte jedes seiner Worte verstanden.
»Er hätte entkommen können«, fuhr sie fort, ohne auf Matts Äußerung einzugehen. »Um mein Leben zu retten, hat sich Mig einen aussichtslosen Kampf mit den Unsterblichen geliefert. Tapferer kleiner Narr. Wärst du doch nur geflohen.« Aus dem Munde einer so jungen Frau wirkte der mütterliche Tonfall etwas grotesk.
»Diese Unsterblichen«, fragte er vorsichtig, »sind sie für das Massaker verantwortlich?«
Die Kriegerin nickte traurig, als würde sie erst jetzt das ganze Ausmaß der Katastrophe begreifen. »Es heißt, die Unsterblichen lebten schon vor Kristofluu«, erklärte sie, nachdem sie sich als Naoki vorgestellt hatte. »So weit mein Stamm zurückdenken kann, mieden sie den Kontakt zur Außenwelt, ließen aber alle in Frieden, die sich ihnen nicht näherten. Doch seit einigen Wochen zerstören sie jeden Ort in Reichweite ihrer Gleiter. Ich bin nach Osten geflohen, um dem Tod zu entkommen, aber offensichtlich nicht weit genug. Vor einigen Stunden legten sie dieses Fort in Schutt und Asche.«
Naoki mochte wie eine halbnackte Barbarin aussehen, doch ihre präzise Schilderung ließ sie in einem ganz anderen Licht erscheinen. Ihr Englisch war überraschend deutlich und ähnelte in keiner Weise dem verwaschenen Slang, der sich in den vergangenen fünfhundert Jahren entwickelt hatte.
Matt musste unwillkürlich an den Weltrat denken. In seinen Bunkern, geschützt vor der CF-Strahlung hatte er ebenfalls ein Höchstmaß der alten Kultur bewahrt. Konnte es sein, dass die Auswirkungen des Kometeneinschlags im Westen der USA deutlich geringer waren als an der Ostküste? Überhaupt schienen die Veränderungen in Amerika bei weitem nicht so stark zu sein wie drüben in Europa, wo einige Volksstämme auf das Niveau der Eisenzeit zurückgefallen waren.
Der Ex-Commander behielt seine Überlegungen vorläufig für sich, während er Naoki anbot: »Wir sollten zusammen bleiben, bis die Gefahr gebannt ist. Gemeinsam können wir uns besser gegen die Unsterblichen zur Wehr setzen.«
Die Dankbarkeit der Kriegerin hielt sich in Grenzen. »Alleine ist es viel einfacher, sich vor den Gleiterpatrouille zu verbergen«, stellte sie klar. Ihre Verzweiflung wich einem selbstbewussten Auftreten, als sie fortfuhr: »Zu dritt könnte es gerade noch gehen. Ihr beiden dürft mich gerne begleiten, wenn ich weiter ziehe. Ich bin auf der Suche nach meinem Bruder. Er befindet sich in einer der umliegenden Siedlungen. Ich muss ihn warnen, bevor er auf dem Heimweg in sein Verderben rennt.«
Ohne weitere Erklärungen drehte sie sich um und ging zurück in die schwelende Ruine. Matt folgte ihr bis zu einem Mauerrest, von dem eine Art Netz herabhing. Es war ihm ein Rätsel, wie das filigrane Gespinst die Feuersbrunst unbeschadet hatte überstehen können. Die Wand hinter dem Netz war zwar etwas angesengt, wirkte aber ansonsten noch intakt.
Fast schien es, als hätten die Flammen diesen Teil des Hauses verschont.
Naoki nahm das Gewebe ab und schwang es um die Schultern. Erst jetzt wurde erkennbar, das es sich um einen äußerst luftigen Mantel handelte.
»Wir sollten rasch zusammensuchen, was noch zu gebrauchen ist«, schlug sie vor. »In wenigen Stunden wird es dunkel, dann ist es zu spät.« Ohne sich um eine Antwort zu kümmern, ging sie davon.
»Okay«, stimmte Matt zu. Aruula war nicht bereit, sich den Anweisungen der Fremden zu beugen. »Lass uns von hier verschwinden«, raunte sie ihrem Gefährten zu. »Ich traue dieser Frau nicht. Sie verbirgt etwas vor uns, aber ich kann nicht erlauschen, was es ist. Es scheint, als ob sie gar keine Gedanken hätte.«
»Sie ist nicht die Erste, bei der deine telepathischen Fähigkeiten versagen«, beruhigte Matt.
»Aber du hast
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