042 - Die Unsterblichen
ein Wirbel- säulenansatz ragten aus dem offenen Hals. Einen Moment lang machte Aiko den Eindruck eines postatomaren Hamlets, aber statt Shakespeare zu zitieren, warf er das kantige Haupt achtlos zu Boden.
Die Gedächtnisspeicher saßen ohnehin unter dem Brustpanzer.
»Wie kommen wir unerkannt in die Stadt?«, fragte Matt. »Gibt so etwas wie Radar?«
»Die CF-Strahlüng verhindert eine weitreichende Ortung, deshalb haben wir unsere knappen Ressourcen nie in dieser Richtung eingesetzt«, antwortete der Cyborg. »Allerdings wird der Stadtrand von einem System aus Kameras und Bewegungsmeldern gesäumt. Aber ich weiß, wie man unerkannt daran vorbei kommt. So bin ich früher oft meiner herrischen Mutter entwischt.«
Naoki schenkte ihm ein säuerliches Lächeln, sagte aber kein Wort. Sie hatten keine Zeit für einen Familienzwist.
***
Amarillo Medical Science Center, August 2517
»Was habt ihr mit mir vor?«, schrie Bob Ryans, als er das Geräusch der Knochensäge hörte. Entsetzt wand er sich im Griff seiner Peiniger. Trotz seiner Prothese kam er gegen die mechanische Kraft von Garth und Lopez nicht an.
Carter wandte sich betont langsam zu dem Tobenden um. Nach den morgendlichen Säuberungen ging es nun an seine Lieblingsbeschäftigung: den störrischen Kollegen zu einer neuen, bessere Lebensform zu verhelfen.
Das rotierende Sägeblatt kündete vom baldigen Fortschritt.
»Keine Sorge, Bob«, beruhigte er seinen Patienten. »Wenn sich dein Geist erst mal vom verderblichen Fleisch gelöst hat, fühlst du dich sofort besser. Um die Hirnströme vollkommen zu erfassen, müssen wir allerdings deinen Schädel aufschneiden…«
Ryans erstarrte. »Das kann doch nicht euer Ernst sein«, stammelte er. »Das ist Wahnsinn!« Carter schüttelte tadelnd den Kopf. »Einer der vielen Vorteile unserer Lebensform besteht darin, dass wir nicht von Geisteskrankheiten befallen werden können. Glaub mir, du wirst deinen alten Körper gar nicht vermissen.«
Ryans wurde in die Operationsliege gedrückt, doch als man ihm die Arme festschnallen wollte, ließ der Griff seiner Peiniger nach. Mit dem Mut der Verzweiflung schnellte er empor, befreite seinen bionischen Arm aus der Umklammerung und stieß die versteiften Finger in Garths optische Rezeptoren. Der Androide stolperte zurück, um seine elektronische Netzhaut zu schützen.
Ryans wirbelte zu Lopez herum. Es ging um Sekunden, das wusste er genau.
Er rammte seine stahlverstärkte Schulter unter das Plysterox-Kinn und drängte ihn gegen einen Labortisch. Reagenzgläser, Brenner und Prothesen wirbelten durcheinander. Blitzschnell packte er Lopez an den Fingern und bog sie langsam in die Höhe. Mechanik gegen Mechanik; die größere Hebelwirkung entschied die Kraftprobe für sich.
Mit hartem Ruck sprengte er die Umklammerung, doch der Triumph war nur von kurzer Dauer. Der Kampf hatte viel zu lange gedauert. Als Ryans zur Tür stürzte, spürte er einen scharfen Luftzug im Nacken. Instinktiv klappte er nach vorne, doch Carter erwischte seinen Kragen und wirbelte ihn herum.
Ryans' Schwinger glitt an der Elle des Androiden ab. Ehe er einen zweiten Schlag landen konnte, hatte Carter seinen Arm verdreht und in die Höhe gebogen.
»Manche Menschen muss man einfach zu ihrem Glück zwingen«, verkündete der einstige Institutsleiter. Aus seinem Munde klang das wie eine Drohung, und das war es wohl auch.
Brutal zerrte er Ryans zum Labortisch und platzierte den verdrehten Arm auf der Tischkante. Carter holte aus und rammte seinen Ellenbogen in die Tiefe. Ein hässliches Krachen erfüllte den Raum, als Stahl und Seilzüge barsten. Ehe Ryans sich versah, wurde ihm sein linker Oberarm auf dieselbe Weise gebrochen. Diesmal tat es höllisch weh.
Ryans wurde in die Operationsliege gestoßen. Beide Gliedmaßen schlaff vom Körper hängend, war er zu keiner Gegenwehr mehr fähig. Trotzdem schnallten ihn Garth und Lopez fest.
Carter nahm die Knochensäge auf und trat an seinen Patienten heran. »Wie es scheint, können wir bei dir auf ein Sedativ verzichten«, verkündete er düster.
Dann setzte er zum Schnitt an.
***
Die Skyline verschwand langsam in der Dämmerung; nur der Medical Tower leuchtete wie ein Fanal in die Prärie hinein. Matt konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt ein Hochhaus gesehen hatte, in dessen Stockwerken alle Lichter brannten. Es musste in seinem früheren Leben gewesen sein, vor »Christopher- Floyd«.
Im Tiefflug näherten sie sich der Stadt. Amarillo lag im
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