042 - Die Unsterblichen
fauchten heran, zerfaserten jedoch lange bevor sie ihr Ziel erreichten. Noch war der zweite Gleiter zu weit entfernt, um in den Kampf eingreifen zu können. Aber er kam schnell näher.
Green Three suchte erneut sein Heil in der Flucht, doch nach wenigen Metern jagte ihm Matt eine Salve vor den Spoiler.
»Ergeben Sie sich«, forderte er über Funk.
»Sie haben keine Chance mehr.«
Green Three vollführte ein tollkühnes Ausweichmanöver und jagte dicht über dem Boden davon. Matt zögerte, ihm den Fangschuss zu geben. Jetzt, wo keine unmittelbare Lebensgefahr bestand, erschien es ihm feige, auf einen Flüchtenden zu schießen.
Ein stählerner Schaft, der neben ihm durch die Luft schnitt, entband ihn von allen Gewissensbissen.
Die Harpune flog viel weiter, als die Bordwaffen reichten. Zielsicher traf sie die Heckfront des fliehenden Gleiters. Die Turbinenlamellen verbogen sich wie eine zerknüllte Zellophanhülle. Es gab eine Explosion, die das gesamte Gefährt auseinander riss. Selbst der widerstandsfähige Körper des Unsterblichen wurde weit über die Prärie zerstreut.
Donnernd rollte die Druckwelle heran.
Matt hatte Mühe, seinen Gleiter zu stabilisieren, aber dann war alles vorbei. Aiko stoppte neben ihm und reckte den Daumen in die Höhe, zum Zeichen des Sieges. Naoki, die bereits wieder nachlud, wirkte wesentlich ernster. Der Treffer löste keine Freude in ihr aus. Sie hatte jemanden getötet, den sie seit über fünfhundert Jahren kannte. Doch ihre brennenden Augen ließen keinen Zweifel daran, dass sie es jederzeit wieder tun würde.
***
Amarillo Medical Science Center, 2515
Ein Frösteln durchlief Naokis biologische Komponenten, als sie das Labor betrat. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sie schon viele künstliche Gliedmaßen gesehen, doch nie hatte sie der Anblick so geschmerzt wie in dieser Sekunde. Aiko spürte ihre Präsenz und drehte sich um. Seine braunen Augen wirkten stumpf, während sich das Licht auf seinem bionischen Arm spiegelte.
»Was willst du?«, fragte er kalt. »Es ist zu spät für weitere Vorträge.«
Naoki ließ die Worte an sich abtropfen wie frischen Morgentau von einer geschlossenen Blüte. Sie war nicht gekommen, um sich mit ihrem Sohn zu streiten. Seine Prothese bewusst ignorierend, trat sie näher. »Darf ich dich nicht mal mehr besuchen?«
Aiko gab nur ein unverständliches Brummen von sich, das sie, bis zum Beweis des Gegenteils, als Doch interpretierte. Dr. Lopez nickte ihr stumm zu, bevor er einige Feineinstellung an der frisch implantierten Prothese vornahm. Sie machte sich nicht die Mühe, die Geste zu erwidern. Ihr Kollege sollte ruhig wissen, dass sie noch wütend über die Operation war.
Der einstige Latino besaß einen voll mechanisierten Körper aus brünierten Plysterox, wie alle in Carters Dunstkreis. Wenn sie es jetzt noch schafften, ihre Neuronenströme in Datenkristallen abzüspeichern, würden sie endgültig zu Robotern mutieren. Der wichtigste Schritt, die Aufschlüsselung der EEG-Signale, war der Maschinenfraktion bereits gelungen. Ihre humanoiden Gestalten hatten nur noch wenig Menschliches an sich. Und obwohl sie nicht so wuchtig wie Miki Takeos Hülle geformt waren, fürchtete die Medizinerin den Tag, an dem Aiko seinem Vater nacheifern würde.
Naoki verdrängte ihre dunklen Gedanken, um sich voll und ganz den gegenwärtigen Problemen zu widmen. »Wie fühlst du dich?«, wollte sie wissen.
Aiko klopfte mit seinen künstlichen Fingern in schnellem Takt auf die Operationsliege. »Mir gehts bestens«, versicherte er. »Carter und Lopez haben gute Arbeit geleistet.«
Der Bionetiker sah auf, als er seinen Namen hörte, doch auf dem konturlosen Gesicht war nicht zu erkennen, ob er sich über das Patientenlob freute.
Verdammte Maschinenköpfe. Sehen alle aus wie Helme.
»Das hätte nicht sein müssen«, brach es aus Naoki heraus. »Du bist noch so jung! Die Arme waren völlig intakt.«
»Ich bin vierzig«, korrigierte Aiko in scharfem Ton. »Wie lange hätte ich deiner Meinung nach warten sollen? Bis ich dreimal so alt aussehe wie meine ewig junge Teenager-Mutter?«
Der Vorwurf war berechtigt, doch sie ging nicht darauf ein.
»Es gibt andere Möglichkeiten, um deinen Körper zu optimieren«, hielt sie ihm vor. »Neo- Organe, Aufbaupräparate…«
»… Haut und Gliedmaßen von Freiwilligen«, stichelte Aiko.
Naoki hatte diese Antwort erwartet, trotzdem tat sie ihr weh. Wehmütig starrte sie auf ihre Prothese, die wie ein klobiger Handschuh
Weitere Kostenlose Bücher