042 - Invasion der Käfer
türlose Durchgang zu einem anderen Raum.
„Hallo?“ rief sie und spähte durch die Finsternis. „Miß Dhan …“
Stille. Spärlich fiel Licht durch eine kleine Fensteröffnung. Ein leises Knarren seitlich von ihr, ein dunkler Schatten stand plötzlich im Raum. Schwer, fett, gedrungen im Körperbau. Linda stieß einen leisen Schrei aus, wich zurück. Der Schatten folgte ihr. Schritt für Schritt, kam immer näher.
„Was - wollen Sie?“ Ihre Stimme klang wie ein helles Kratzen.
Der Dicke, den sie nach dem Weg zu Wizza Dhan gefragt hatte, grinste sie hämisch an. Wieder roch sie seinen schlechten Atem, den beißenden Schweißdunst, der von ihm ausging. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, als er fragte: „Wizza Dhan …?“
Linda nickte. Sekundenlang starrte er sie gierig an, dann drehte er sich abrupt um, winkte ihr, ihm zu folgen. Sie tat es zögernd. Wieder der düstere, muffige Flur. Der Dicke öffnete eine Tür, die Linda vorher nicht gesehen hatte, und verschwand dahinter. Süßlicher Duft schlug ihr aus dem Zimmer entgegen. Rächerstäbchen glimmten neben einem Bett, in dem still eine Frau lag. Ihre Augen waren geschlossen, die Züge still und friedlich, als würde sie schlafen. Doch auch das sanfte Lächeln auf den Lippen konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Frau tot war.
„Wizza Dhan“, murmelte der Dicke und zeigte scheu auf die Tote. Dann verschwand er wieder. Sie hörte die Tür hinter sich zuklappen, dann ein Geräusch, das sie alarmierte. Ein Riegel wurde vorgeschoben! Mit zwei raschen Schritten stand sie an der Tür, riß, zerrte an der Klinke. Der Dicke lachte im Flur, dann hörte sie, wie sich seine Schritte entfernten.
Sie lief zu der kleinen Fensterluke am Kopfende des Zimmers, aber auch das war keine Fluchtmöglichkeit. Das scheibenlose Fensterloch war viel zu schmal und zu eng, um hindurchzuschlüpfen. Warum hatte der Dicke sie nur eingesperrt? Wollte er sie mit der Toten allein lassen, um ihr Angst einzujagen?
Sie trat an das Totenbett, starrte die junge Frau an. Woran war sie wohl gestorben? Äußere Zeichen, die die Todesursache erklärten, konnte sie nicht feststellen. Das Gesicht war knochig und mager.
Plötzlich glaubte sie, ein leichtes Zucken im Gesicht der Toten gesehen zu haben. Sie sah genau hin, konzentrierte sich auf die Stelle. Einige Sekunden später sah sie es wieder. Die geschlossenen Lider der Frau zuckten kaum merklich. Aber ein Irrtum war ausgeschlossen. Sie griff nach der Hand der Toten, fühlte den Puls. Nichts. Wieder starrte sie in das Gesicht, stieß überrascht und gleichzeitig erschrocken einen Schrei aus.
Wizza Dhan starrte sie an. Die Augen waren weit, die Pupillen unnatürlich groß und glänzend. Boshafte, gemeine Augen, in deren Tiefe ein unheimliches Feuer zu lodern schien.
Linda wich zurück, bis ihr Rücken gegen die Wand stieß. Sie wollte schreien, um Hilfe rufen, aber dann merkte sie, daß die Frau unfähig zu einer Bewegung war. Starr und steif lag sie auf der Decke, nur der hinterhältige, gemeine Blick folgte Linda unablässig.
Ein Scharren ließ sie herumfahren. Sie brauchte eine Weile, um die glänzenden, schwarzen Leiber zu erkennen, die da über den Boden auf das Bett zukrochen. Zehn, fünfzehn Käfer. Dicke, schwarze Skarabäen, die schabend und raschelnd dem Bett der Toten zustrebten.
Linda stand wie gelähmt, wagte kaum Atem zu schöpfen. Die Tiere beachteten sie nicht, und auch der Blick der Frau wandte sich jetzt von ihr ab. Die Kinnlade sank nach unten, ein helles, pfeifendes Geräusch drang aus der Kehle der Toten, dann bewegten sich die Lippen. Erst stumm, schwach, dann formten sie Worte, die langsam hörbar wurden.
„Kommt …“, hauchte eine hohle Stimme. „Kommt zu mir, ich habe euch bereits erwartet …“
Sie kamen. Langsam krochen sie über die Decke heran, kamen über ihren Körper, die Brust, kletterten vom Hals zum Kinn und verschwanden dann, einer nach dem anderen, in dem geöffneten Mund der Toten.
Wizza Dhan starrte Linda triumphierend an …
Minutenlang glaubte Linda, dies alles zu träumen, dann löste sich mit der kommenden Erkenntnis ihr Schrei aus der Kehle. Sie schrie, vom Grauen gepackt, schrie ihre Angst hinaus. Dann wurde ihr schwarz vor Augen, eine erlösende Ohnmacht hüllte sie ein.
Als sie wieder die Augen aufschlug, war es dunkel um sie. Süßlicher Verwesungsgeruch stieg ihr in die Nase. Und der Duft von Räucherstäbchen. Sie wollte sich aufrichten, aber
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