0420 - Aibons Schlangenzauber
war so groß, daß der Kopf bequem hineinpaßte. Vater und Tochter wußten, wie solche Schlangen ihre Beute nahmen. Sie verschlangen sie kurzerhand mit Haut und Haaren.
Dabei konnte ein Beobachter sehr genau den Weg verfolgen, den das Opfer nahm.
Das stand ihnen auch bevor.
Und die Schlange schnappte zu. Sie brauchte sich nur um eine Winzigkeit nach vorn zu bewegen, und schon war der Schädel der Fee verschwunden. Das sah auch Eileen.
Sie fing an zu weinen. Sie flehte und zitterte um das Leben der Person, die sie gefunden und so lieb gewonnen hatte. Aber die Schlange kannte kein Pardon.
Sie schlang weiter.
Die Schultern verschwanden in ihrem Leib, der Oberkörper und auch die Flügel. Sie konnte die Schlange allerdings nicht so auf einmal verschlingen. Deutlich war zu hören, wie sie zuerst bewegt wurden und dann mit einem knisternden Geräusch brachen.
Aus den Zweigen rieselten die Stücke nach unten. Sie vermischten sich mit den sacht fallenden Schneeflocken und wirkten wie gläserner Puder.
Die Schlange hatte ihr Opfer gefunden. Sie fraß es in sich hinein.
Vater und Tochter hörten das Brechen.
Es waren gerade für das Mädchen schreckliche Laute. Eileen zitterte. Sie wußte nicht, was sie noch tun sollte, die Angst stieg an, sie drängte sich in ihr hoch und umnebelte ihr Blickfeld.
Traurig mußte ihr Vater mit ansehen, wie Tränen über das Gesicht des Mädchens rannen und nasse Spuren hinterließen. Er hätte sie so gern getröstet, nur fielen ihm die passenden Worte nicht ein, und er mußte zusehen, was weiterhin geschah.
Eine schreckliche Szene spielte sich vor ihren Augen ab, und das Schlimmste kam noch.
Vater und Tochter erhielten den Beweis dafür, daß die Fee nicht tot war. Sie lebte, und sie meldete sich, denn sie hörten auf einmal die leisen, fast glockenhell klingenden Schreie der Angst, die aus dem Maul der Schlange drangen.
»Jetzt stirbt sie, Dad!« Eileen sprach gequält. Sie zitterte und klammerte sich noch fester an ihren Vater, der seiner Tochter nicht widersprechen konnte, so gern er es auch getan hätte.
Die Schlange verschlang ihr Opfer. Nur noch die Beine ragten aus dem Maul hervor. Die beiden wie aus Glas wirkenden Füße zuckten, als wollte sich das Wesen aus einem anderen Reich noch einmal gegen das drohende Ende aufbäumen.
Es war nicht zu schaffen.
Die Schlange mit ihrem Riesenhunger schluckte und schlang auch den Rest in sich hinein.
Pernell Hendricks stand da und konnte nichts begreifen. Er starrte nur, auf seinem Gesicht lag der Schweiß. Schneetropfen rupften dagegen und schmolzen sofort weg.
Er merkte es kaum.
Die Schlange war es, die ihn in ihren Bann zog, und er dachte darüber nach, wo sie wohl hergekommen sein könnte. Vielleicht aus der Erde oder aus dem Wald.
Es war ihm nicht möglich, eine Antwort auf die Fragen zu finden.
Jedenfalls würde ihnen das keiner glauben, wenn sie es jemandem erzählten. Man würde sie für Spinner und Verrückte halten, aber sie hatten es gesehen, das war eine Tatsache.
Die Schlange hatte ihr Opfer gefunden. Der Rachen war geschlossen. Leicht drehte sie den Kopf. Die beiden Menschen hatten das Gefühl, als nächste an der Reihe zu sein.
Das Mädchen hielt sich fest. »Daddy, wir müssen weg. Laß uns gehen, bitte, ich kann nicht mehr! Die frißt uns auch.«
»Wahrscheinlich.« Er sprach mit einer Stimme, die er kaum wiedererkannte.
Das Mädchen zog ihn. Es zupfte an seiner Kleidung, es zitterte und drängte darauf, zu verschwinden.
»Ja, ja«, sagte Pernell. Er drehte sich um, ohne einen letzten Blick auf die Riesenschlange geworfen zu haben. Dann faßteer seine Tochter fest bei der Hand, die fast aufschrie, als sie hart gehalten wurde. Aber sie rannte mit.
Beide warfen sich in den Wald hinein und achteten nicht darauf, daß Zweige gegen sie peitschten, als wollte sie jemand antreiben und dafür sorgen, daß sie noch schneller liefen.
Irgendwie schafften sie es, den normalen Weg zu erreichen, auf dem bereits eine dünne weiße Schicht lag. Sie blieben stehen. Der Atem drang stoßweise und wolkenartig aus ihren Mündern. Pernell wäre noch weitergelaufen, aber er mußte Rücksicht auf seine Tochter nehmen, die nicht so schnell war.
Der Mann dachte daran, was jetzt zu tun war. Er hätte die Polizei alarmieren müssen, aber wer würde ihm die Geschichte von der Riesenschlange schon glauben? Möglicherweise auch nicht seine eigene Frau. Er war sich nicht sicher, ob er ihr davon berichten sollte. Und auch Eileen mußte
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