0420 - Sie holten sich den grauen Joe
einzusteigen. Der Motorenlärm würde mich sofort verraten haben.
So schwamm ich vorsichtig zu dem Kahn, der mich schon hergebracht hatte, kletterte aber nicht hinein. Mit der linken Hand klammerte ich mich fest, mit der Rechten paddelte ich in Richtung Ufer. Wie am Schnürchen hielt die Leine auf kürzestem Wege auf das Trockene zu. Erst als ich die halbe Strecke zurückgelegt hatte, kletterte ich hinein und paddelte mit beiden Händen. Jetzt war ich aus der direkten Schusslinie, passte aber trotzdem höllisch auf. Ich war dicht am Ufer, als von Neuem eine Lampe aufstrahlte und mich voll erfasste.
»Hände hoch, Polizei«, rief eine gedämpfte Stimme, und ich musste grinsen. Ein verblüffter Ausruf von Phil unterbrach den Eifer Elkharts.
»Habt ihr die Wasserschutzpolizei verständigt?«, war meine erste Frage, als ich an Land war. »Auf dem Boot ist noch ein Gefangener. Wir müssen uns schleunigst um ihn kümmern.«
»Als ich den Scheinwerfer sah, habe ich sofort per Funk die Kollegen verständigt«, sagte Phil. »Sie müssen in wenigen Minuten eintreffen, da sie ganz in der Nähe patrouillieren.«
Ich trocknete mich ab und hüllte mich in eine Decke, die ich in Elkharts Chevy fand. Als ich zurückkehrte, sah ich zwei helle Lichter auf den Kutter zuhalten. Gleichzeitig ertönte ein Megafon und forderte die Gangster auf, mit erhobenen Händen an Bord zu erscheinen. Stattdessen hörten wir, wie der Dieselmotor angelassen wurde, aber gleich darauf wieder erstarb. Ein Splittern tönte über das Wasser, und ich wusste, dass das Ruder in die Brüche gegangen war.
Hilflos trieb der Kutter etwas ab. Er wurde jetzt taghell von einem Polizeiboot angestrahlt. Eine Gestalt rannte über das Deck und warf sich in Deckung. Ein paar Revolverschüsse peitschten auf, blieben aber wirkungslos. Dafür sahen wir einen blitzenden Gegenstand auf den Kutter fliegen, der ihn sofort in einen dichten Nebel hüllte.
»Kerzen«, sagte Elkhart zustimmend. »Nebelkerzen und Tränengas. Damit werden wir sie ausräuchern wie die Salzheringe.«
Einige Cops sprangen jetzt mit Gasmasken an Bord und ließen ihre Natriumdampflampen aufleuchten. Das grelle gelbe Licht durchdrang sogar den Nebel, sodass sie nach wenigen Sekunden die Gangster festgenommen hatten. Captain Elkhart trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Er konnte es kaum erwarten, dass die Kollegen mit ihrem Fang an Land kamen. Phil starrte angestrengt auf das Geschehen, das wie in einem Freilichtkino vor uns lag. Ich holte mir eine Zigarette von einem der Cops und zündete sie an.
Mit dem Kutter im Schlepp kam das Polizeiboot näher. Dicht vor uns warfen sie den Anker und kletterten in ein Beiboot. Eine Minute später sprang ein Lieutenant an Land, gefolgt von drei Mann. Einer führte den mit Handschellen versehenen Poe vor sich, die anderen beiden trugen einen Verletzten zwischen sich. Wir leuchteten in sein Gesicht, dann wandte ich mich enttäuscht ab.
»Ist das der Boss?«, fragte Elkhart grimmig. Er holte dem Mann die Brieftasche aus dem Jackett und schlug sie auf. Dann sah er mich fragend an. »Bob O’Brian steht hier im Ausweis. Kennen Sie den Mann, Agent Cotton?«
Ich verneinte. Es musste ein Mitglied der Gang sein, aber der Boss war es nicht.
Aus der Luke, durch die ich vorher ins Innere des Kutters gelangt war, hoben zwei Beamte behutsam den Mann, den ich gefesselt im Schiff gesehen hatte.
»Das wird Silvio Rosoff sein«, sagte ich und sog den Rauch tief ein. »Er ist auf dem Weg nach New Brunswick entführt worden, damit der Gangster in seinem Namen dort in die Versammlung eindringen konnte. Ich fürchte, er wird ein paar Tage Erholung brauchen, bis er aussagen kann.«
Das gepflegte Gesicht des Juweliers war eingefallen und mit Bartstoppeln bedeckt. Der teure Anzug war schrottreif, aber Mr. Rosoff schien nicht weiter verletzt zu sein. Trotzdem mussten die paar Tage für ihn die Hölle gewesen sein. Er wurde sofort in einen Wagen gelegt und ins nächste Krankenhaus gefahren.
Poe starrte mich wie das achte Weltwunder an. Er erkannte mich sofort. Er war auch mein Gegner auf dem Schiff gewesen. Ich sah ihn ausdruckslos an. Er hatte wahrscheinlich keine Chance mehr.
»Zum Teufel, wer ist nun endlich das Haupt der Bande?«, polterte Elkhart los. »Die Geschichte ist mir unverständlich.«
»Der Boss war auf dem Kahn«, sagte ich ruhig. »Bevor die Polizei eintraf, hat er sich allerdings aus dem Staub gemacht. Er ist nicht nur ein ausgezeichneter Flieger, sondern
Weitere Kostenlose Bücher