0421 - Willkommen im Fegefeuer
stand Todesängste aus. Sie dachte nicht mehr an ihren Vater und dessen grausames Vermächtnis, für sie war wichtig, das eigene Leben zu retten.
Würde ihr der Killer das lassen? Er machte vom Äußeren her nicht den Eindruck. Wie er mit Menschen umging, war schlimm und verachtend. Sie dachte wieder an die schrecklichen Bilder, die man ihr gezeigt hatte. Dieser verdammte Film war so ungemein grausam gewesen, und fast jedes Detail hatte sie behalten.
Welches Schicksal stand ihr bevor?
Carol konnte keine Antwort geben. Sie wurde durch den Keller geschleppt. Weit aufgerissen waren die Augen, und sie sah vor sich wieder den Gang, der an der offenen Geheimtür endete.
Dahinter befand sich die Plattform mit dem Feuer.
Flammen, die den Tod brachten oder den ewigen Schrecken. Das lange Büßen, das Verderben – eben das Fegefeuer.
Auch sie hatte viel davon gehört. Als kleines Mädchen war ihr damit gedroht worden. Wer dort landete, mußte für alle Zeiten leiden. Später hatte sie das anders gesehen, mehr als bildliches Beispiel. Sie hatte die Kinderängste vor dem Fegefeuer vergessen, doch jetzt wurde sie abermals damit konfrontiert.
Gab es das Feuer überhaupt? War es wirklich so, wie in manchen Textstellen bestimmter Bücher stand? Sie selbst hatte einen Blick hineingeworfen und nicht einmal Hitze verspürt. Und doch konnte man darin verbrennen.
Möglicherweise von innen, von der Seele her.
Kälte und Angst überfielen sie. Gleichzeitig auch eine starke Depression. Dieses Gefühl, keinen Ausweg mehr zu wissen, war schlimm. Und der Killer aus dem Fegefeuer kannte kein Pardon.
Rücksichtslos schleifte er sie weiter. Den Schädel hatte er erhoben, das Kinn kantig und trotzig vorgeschoben, und als sie die Schwelle zum Verlies überschritten, da war es Carol, als hätte sie ihre Todeszelle betreten, um auf die Hinrichtung zu warten.
Wann würde sie sterben?
Nach Sekunden oder Minuten?
Von dem blonden Killer sah sie nichts mehr. Er war in die Tiefe des Feuers verschwunden, aber die Plattform war wieder in die Höhe gefahren und ragte aus den zuckenden Feuerspitzen hervor.
Rund, stählern und vom Widerschein der Flammen bedeckt.
Zuerst fiel Suko.
Das Mädchen erschrak, als der Killer den Griff so kurzerhand öffnete und den Inspektor zu Boden fallen ließ. Sie hörte ihn aufklatschen, verkrampfte sich, hörte aber nichts von ihrem Leidensgenossen. Dessen Bewußtlosigkeit war einfach zu tief.
Auch Carol rechnete damit, einfach hingeworfen zu werden. Sie fühlte einen plötzlichen Schwindel, hatte das Gefühl, sich überschlagen zu müssen, tat dies tatsächlich und stand plötzlich.
Sie selbst konnte sich nicht halten. Ihr Kreislauf war ganz durcheinander. Der Taumel steigerte sich allerdings nicht, zudem stützte der Killer sie. Sie sah seine Augen hinter den Öffnungen der Maske.
Das Feuer gab genügend Licht, um sie gut erkennen zu können, und Carol glaubte plötzlich, daß sich der Ausdruck verändert hatte.
Er war nicht mehr so gnadenlos und hart, hatte eine gewisse Weichheit angenommen. Menschlicher war er geworden.
Das Mädchen schalt sich innerlich eine Närrin, daß sie so dachte.
Doch Carol konnte nicht anders. Die Tatsachen sprachen für sich.
Der Blick des Killers war tatsächlich ein anderer geworden.
Dann hob er seine Arme. Carol sah die langen Krallenfinger dicht vor ihrem Gesicht. Innerlich versteifte sie, die Angst kam wie eine Woge, und als sie berührt wurde, stöhnte sie auf.
Dornen schienen leicht über ihre Gesichtshaut zu kratzen. Es war nicht einmal ein unangenehmes Gefühl für sie. Das Monster wurde zärtlich, so jedenfalls sah sie es.
Eine für sie perverse Art von Zärtlichkeit, und sie begann zu zittern wie Espenlaub. Die Knie wurden weich, sie schloß die Augen und konzentrierte sich auf die Krallenspitzen, die an ihrem Körper entlang nach unten glitten. Überall waren sie zu spüren. Zuerst an der Schulter, dann über der Brust, an den Hüften, den Beinen.
Das Monstrum wollte sie liebkosen.
Bis zu dem Augenblick, als es einen Knurrlaut ausstieß und sich auf dem Absatz drehte.
Da erst öffnete Carol die Augen.
Zuerst irritierte sie der zuckende Widerschein des Feuers. Dann aber sah sie das Schreckliche.
Der Killer hatte bereits einen seiner Revolver gezogen, den Arm ausgestreckt und die Mündung gegen den Kopf des Chinesen gepreßt…
***
Ich war quer durch London gefahren, in Verkehrsstaus geraten und trauerte noch immer meinem Bentley nach.
Der Wagen wollte
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