0422 - Der Werwolf-Jäger
Bogen und schoß den ersten Pfeil ab.
Sofort danach tauchte er zur Seite, um zu sehen, wie es der Bestie ergangen war.
Er hatte nicht getroffen.
Der Silberpfeil steckte in einem Baumstamm. Sein Schaftzitterte noch leicht, aber die Bestie kam hoch – und griff zum zweitenmal mit all ihrer mörderischen Kraft an.
Plötzlich geriet der Russe in Lebensgefahr. Er wußte, wie schnell der Werwolf war und mit welch einer Wut und Macht er Hindernisse aus dem Weg räumen konnte. Als er kam, schien der Schneeboden unter seinen Füßen zu erzittern, so hart trat er auf, und er warf sich dem Russen brutal entgegen, die Pranken vorgestreckt.
Michail mußte zurück.
Er wuchtete seinen Körper dabei nach hinten, prallte mit der Schulter gegen einen Baumstamm, fiel, wirbelte Schnee auf, kroch weiter und drehte sich auf den Knien.
Im Augenblick konnte er seinen Bogen nicht einsetzen. Eine andere Waffe trug er nicht bei sich. In seiner Not griff er neben sich, wo ein Ast lag, der unter der Schneelast vom Baum gebrochen war.
Mit beiden Händen packte er den Ast, als er sich wieder auf die Füße schwang.
Damit schlug er zu.
Und er ging in den Werwolf hinein. Er handelte wie ein Berserker, schlug von einer Seite zur anderen, begleitete die Schläge mit heiseren Rufen und hörte das harte Klatschen, wenn der Ast den fellbedeckten und mit Schnee und Eis verklebten Körper der Bestie erwischte.
»Ich schlag dich tot!« brüllte er. »Ich werde dich totprügeln!« Er war wie von Sinnen, aber so kann man keinen Werwolf vernichten.
Das merkte er urplötzlich, als ihm die primitive Waffe aus den Händen gerissen wurde.
Jetzt war der Werwolf an der Reihe. Er schleuderte den Ast zur Seite und griff zu.
Seine krallenbewehrten Pranken schlugen in die dicke Fellkleidung des Mannes. Zum Glück hielt der Pelz, so daß dem Russen keine tiefen Wunden gerissen wurden.
Die Bestie fauchte ihn an, riß ihn in die Höhe, und Michails Herzschlag schien auf einmal zu stocken, als er über dem Boden schwebte und sich wie ein Brett fühlte, das einen Moment später weggeschleudert wurde.
Der Werwolf hatte Kraft. Michail Chirianow kam sich vor wie eine lebende Rakete. Furcht stieg in ihm hoch. Wenn er gegen einen Stamm krachte, konnte er sich das Kreuz brechen.
Der Mann hatte Glück. Er wurde zwischen zwei Bäume geschleudert, hieb mit der Schulter noch gegen ein Hindernis und krachte anschließend ins Unterholz.
Schmerzen spürte er nicht. Er hing nur in dem sperrigen Unterholz fest, das mit zahlreichen Händen und Armen nach ihm zu greifen schien.
Als er sich befreien wollte, sackte er durch seine wilden Bewegungen nur noch tiefer hinein und hörte hinter sich das heisere Schreien der angreifenden Bestie.
Nichts brachten ihm seine geweihten Silberpfeile. Er würde hier im Wald so sterben wie auch seine Frau. Zerrissen, zerfetzt von den mordgierigen Pranken des Werwolfs und mit der Gewißheit, daß die Bestie immer stärker war als der Mensch.
Vielleicht gab es noch eine Chance, wenn es ihm gelang, den Werwolf aus dem Wald weg und auf die freie Fläche zu locken, doch zunächst klemmte er im Unterholz fest und schaffte es einfach nicht, sich aus dem hart gefrorenen Zeug zu befreien.
Scharf klang das Bellen, das Hecheln dazwischen und auch das Heulen. Laute, die nicht von einem Werwolf stammten, denn sie waren dem Menschen vertraut.
Seine Schlittenhunde reagierten so.
Plötzlich durchflutete ihn Hoffnung. Dann glaubte er, in einer Hölle aus Schreien, Jaulen und Brüllen zu stecken. Aber nicht er wurde von der Bestie angegriffen, die Hunde attackierten den Werwolf, hatten ihre Angst überwunden und sprangen ihn an.
Das sah der Mann, als er sich endlich aus seiner mißlichen Lage befreit hatte und wieder auf den Beinen stand.
Vor ihm tobte ein mörderischer Kampf. Die Hunde griffen die Bestie an. Sie sprangen hoch, wollten ihre Fangzähne indas Fell des Untiers schlagen, es aufreißen, es vernichten, und der Werwolf wehrte sich mit aller Kraft.
Er räumte auf.
Es gelang ihm, einen der Schlittenhunde zu packen. Er hielt den Hund zwischen zwei Pranken. Das Tier ahnte wohl, welch ein Schicksal es erwartete, denn es ließ ein fürchterliches Jaulen hören.
Der Werwolf befand sich im Mordrausch. Er kannte kein Erbarmen und tötete den Hund.
Michail sah es mit an. Als der Schlittenhund starb, hatte er das Gefühl, jemand hätte sein Herz zerschnitten. Er liebte die Tiere wie seine eigenen Kinder. Nur sie garantierten in dieser weißen
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