0423 - Eine Braut für zwei Millionen
zur Seite. Ich hatte nicht den geringsten Grund, Wohlbehagen zu empfinden. Die Kugel, die McAllan getroffen hatte, war möglicherweise für mich bestimmt gewesen.
»Was ist mit dem Chef?«, fragte Ellen.
Der Musiker nahm einen zweiten Schluck aus der Dose. »Ich wette, wir müssen uns nach ’nem neuen Boss Umsehen«, vermutete er.
Plötzlich fiel mir etwas ein. Ich sprang vom Hocker. Wie hatte ich nur den Burschen vergessen, können, der mich in die kurze Prügelei verwickelt hatte? Ich näherte mich der Gästegruppe, die einen Kreis um den niedergeschossenen McAllan bildete. Der breitschultrige Bursche war nicht dabei.
Ich entdeckte ihn auch nicht unter den kleineren Grüppchen, die diskutierend auf der Tanzfläche standen. Ich schaute in der Toilette nach - vergebens. Zuletzt ging ich in die Garderobe. »Sind nach dem Attentat Gäste weggegangen?«, fragte ich.
»Mindestens ein halbes Dutzend.«
Ich war nicht überrascht. Sicherlich waren es Leute gewesen, die keinen Wert darauf legten, in die polizeilichen Ermittlungen verstrickt zu werden. Kleine Gangster, die grundsätzlich ein schlechtes Gewissen hatte, und biedere Ehemänner, die ihren Ausflug ins New Yorker Nachtleben zu vertuschen wünschten.
»War ein besonders großer, breitschultriger Bursche darunter?«, fragte ich und lieferte eine kurze Beschreibung des Mannes, den ich suchte.
»Ja«, sagte die Garderobiere. »Der ist vor drei Minuten gegangen.«
»Kennen Sie ihn?«
»Nein, Sir. Er war zum ersten Mal hier.«
Ich bedankte mich. Als ich ins Lokal zurückgehen wollte, hörte ich die Martinshörner der Polizeiwagen. Ich wartete, bis die Beamten die Garderobe betraten, und stellte mich vor. Ich gab dem Streifenführer eine kurze Schilderung des Vorfalls, während die Männer des Ambulanzwagens ins Lokal gingen.
»Hm«, brummte der Sergeant. »Da ist wohl nicht viel zu machen, was? Wenn der Schütze von der Tür aus geballert hat und danach wieder verschwunden ist…«
»Sieht mies aus«, gab er zu. »Die Garderobiere hat den Mann gesehen, aber da er maskiert war, kann sie keine genaue Beschreibung liefern. Immerhin wird sie Ihnen ein paar wichtige Details geben können - Größe, Kleidung Und Stimme.«
***
Während sich der Sergeant um die Aussage der Garderobiere bemühte, ging ich zurück ins Lokal. An der Bar war wieder Betrieb. Der Vorfall schien einige Männer besonders durstig gemacht zu haben. Man diskutierte das Geschehene.
Ellen hatte alle Hände voll tun. Ich fand endlich Gelegenheit, einen Blick auf McAllan zu werfen. Die Kugel hatte ihn von vorn getroffen, unmittelbar über dem Herzen. Er blutete, aber nicht sehr stark. Natürlich war er ohne Bewusstsein. Die Männer betteten ihn unter der Anleitung eines Arztes auf die Bahre. Man brachte ihn hinaus.
Der Sergeant tippte mir auf die Schulter. »Ob es Sinn hat, die Gäste zu verhören?«, fragte er unsicher. »Normalerweise knöpfen wir uns ja jeden vor, aber einige scheinen schon gegangen zu sein…«
»Damit brauchen Sie sich nicht aufzuhalten«, sagte ich. »Aber fragen Sie die Leute, die in der Nähe des Eingangs gesessen haben. Einige von ihnen müssen Zeugen des Anschlages geworden sein.«
»Hm«, meinte der Sergeant, »aber die können auch keine andere Beschreibung liefern als die Garderobiere.«
»Das möchte ich in Zweifel ziehen«, sagte ich. »Erst die Summe aller Beobachtungen ergibt im Querschnitt das richtige Bild. Woher wollen Sie wissen, dass die Garderobiere im Moment der Erregung die richtigen Eindrücke aufzunehmen vermochte? Sie behauptet, der Mann sei ziemlich groß gewesen, aber ich wette, einige andere werden behaupten, er sei nur mittelgroß gewesen.«
»Natürlich«, nickte der Sergeant seufzend, »das kennt man ja. Ich kümmere mich jetzt um die anderen Zeugen, falls es welche geben sollte.«
Ich trat an die Bar. Ellen sah mich. Lächelnd hob sie das Glas mit dem rosafarbenen Getränk in die Höhe. Sie hatte es vor dem Ansturm der Gäste gerettet.
»Das wird Ihnen guttun!«
Ich nickte und nahm das Glas entgegen. Ellens Finger berührten mich kurz. Sie waren‘eiskalt, aber das mochte daran liegen, dass sie immer nur kalte Gläser anfassen musste. Im nächsten Moment musste sie die Bestellungen einiger Gäste entgegennehmen. Ich begab mich mit dem Glas auf die Straße.
Ein Taxifahrer, an dem ich vorbei kam, blinkerte erstaunt, als er mich mit dem Glas in der Hand über den Bürgersteig spazieren sah.
Ich trat an einen der Streifenwagen heran.
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