0427 - Sie entführten ihren Killer
sich in Sicherheit zu bringen. In jedem Fall werden wir die Brüder im Auge behalten. Auch wenn Collin Selbstmord begangen hat, einer von ihnen hat den jungen Steele auf dem Gewissen.«
Ich wollte noch etwas sagen, aber in dem Moment kam Hadley den Gang herunter. Er wischte sich mit einem weißen Fetzen über das gerötete Gesicht.
Als er näher kam, erkannte ich, dass es ein triefnasses Taschentuch war.
»Na, Hadley, haben Sie ihr Taschentuch vor Kummer zerbissen?«
Er sah verblüfft auf das zerrissene Tuch in seiner Hand und stopfte es hastig in die Brusttasche.
»Das ist alles so schrecklich!«, sagte er leise.
»Warum hat er es getan?«, fragte ich ihn. Er warf mir einen kurzen Blick zu und sah dann über meine Schulter zur Treppe, von wo die Geräusche der unten wartenden Menge herüberdrangen.
»Der arme Junge muss die Nerven verloren haben«, sagte er nach einer Weile.
»Hat er private Gründe gehabt? Lief vielleicht mit seiner Karriere nicht alles so, wie es sollte?«
Hadley reagierte kaum. Er fuhr sich mit der bloßen Hand über die feuchte Stirn und hob dann die Schultern: »Ach wo, alles in bester Ordnung. Ich weiß selbst nicht, was in den Jungen gefahren ist. Alice wird untröstlich sein, er war uns wie ein Sohn!«
Ich ersparte mir die Antwort und bat Hadley, sich weiter zur Verfügung zu halten. Dann machten wir uns auf die Suche nach Erle Bodman.
Auf der anderen Seite waren die Studioräume, in denen jetzt die Angestellten durcheinanderwimmelten und von zwei Kollegen befragt wurden. Aber keiner hatte auf den anderen geachtet, und da es sich so offensichtlich um Selbstmord handelte, konnten wir sie auch nicht länger festhalten. Bodman kam uns schon auf halbem Weg entgegen. Seine klapperdürre Gestalt schien noch mehr in sich zusammengesunken zu sein, und sein Gesicht hatte sich wieder gerötet.
»Haben Sie aus Kummer zur Flasche gegriffen?«, fragte ich. Er grinste breit.
»Aus Gewohnheit.«
»Wer ist der Inhaber der Universal Record?« Meine Frage schien ihn zu verwirren, denn er schluckte ein paar Mal, bevor er sagte: »Hadley und ich, wieso?«
»Werden Sie weiter im Geschäft bleiben?«
»Ich verstehe Ihre Frage nicht«, knurrte er und rief einem vorbeiflitzenden Reporter etwas zu. Wir gingen weiter.
»Was für eine Vermutung hast du?«, fragte Phil leise.
»Es ist nur eine Vermutung. Ich denke mir, dass hinter dieser Firma mehr steckt, als nur eine Schallplattenproduktion. Vielleicht gab es noch einen anderen Grund dafür, dass Collin sterben musste.«
Ned Gillan kam auf uns zu. Er schien aufgeregt zu sein.
»Dieser verfluchte Hadley! Haben Sie ihn festgenommen?«
»Nein, wieso?« Ich musterte ihn scharf. Er sah kühl und gepflegt aus, aber seine Augen brannten.
»Weil er Collin Coleman umgebracht hat!«
»Wie kommen Sie auf die Idee?«
»Er hat keinen Pfennig Geld mehr, er ist auf die Versicherung angewiesen.«
»Verdiente er mit einem lebenden Collin nicht mehr?«
»Bald hätte Collin selbst den Löwenanteil eingesteckt!«
Ich warf Phil einen Blick zu. Bis jetzt hatte keiner von Collins Krankheit gesprochen. Warum?
Ich erklärte Gillan, wie wir Collin gefunden hatten.
»So? Na, das sieht allerdings nach Selbstmord aus. Kann ich den Brief mal sehen?«
Ich zeigte ihm das Blatt. Er runzelte die Stirn und las den Text.
»Allerdings, das ist seine Schrift! Aber ich hätte schwören können, dass ich Hadley aus dem hinteren Zugang zu den Waschräumen kommen sah, als ich die Presseleute abwimmeln wollte!«
Ich nahm das Papiertuch wieder an mich und legte es weg. In dem Moment kam plötzlich der Arzt über den Gang gelaufen. Er schien sehr aufgeregt, schon von Weitem machte er mir Zeichen. Ich ging ihm entgegen. Als er mich erreichte, ging sein Atem so stoßweise, dass er kaum sprechen konnte. Endlich verstand ich: »An den Handgelenken sind Druckstellen. Ich habe sie vorhin übersehen. Als wir den Mann in den Wagen bringen wollten, habe ich mir die Wunden noch einmal angesehen. Er hat an beiden Handgelenken leichte Druckstellen, und außerdem sind die beiden senkrechten Schnitte gleich tief!«
Ich spürte, wie plötzlich meine Rückenmuskeln hart wurden. Neben mir zog Phil scharf die Luft ein.
»Und das bedeutet?«, fragte ich heiser.
»Jemand hat seine Handgelenke mit Gewalt festgehalten und die Rasierklinge geführt. Die waagerechten Schnitte sind verschieden. Das ist klar, denn mit der rechten Hand kann man sicherer und fester schneiden als mit der linken. Aber die
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