0427 - Sie entführten ihren Killer
verschwunden. Lediglich aus einigen Ansichtskarten ging hervor, dass er sich in Florida aufhielt. Die Praxis ging recht schlecht, und dementsprechend schlecht ging es auch Miss Hackett.
Sie holte mir eine Ansichtskarte mit den üblichen nichtssagenden Feriengrüßen. Ich hielt den Poststempel gegen das Licht.
»Lake Worth! Donnerwetter, das ist ein sündhaft teurer Badeort in der Nähe von Palm Beach. Hat denn Dr. Brainard so viel Geld, dass er sich das leisten kann?«
Sie sah mich nachdenklich an, dann meinte sie: »Ich weiß es nicht. Aber diese Frage habe ich mir auch schon gestellt. Meiner Meinung nach könnte er sich nicht mal den billigsten Ort in Florida leisten.«
»War Collin Coleman einmal hier?«
»Dieser Schlagersänger? Ja, vor ungefähr einem Monat. Das war am Tag, bevor der Doc abreiste.«
»Hatte er die Reise schon länger geplant?«
»Nein, ich war wie vor den Kopf geschlagen. Er zahlte mir ein Monatsgehalt im Voraus und fuhr los.«
»Was fehlt Coleman?«
»Moment, das werden wir gleich haben!« Sie begann mit schnellen Bewegungen einen Karteikasten durchzusehen. Dann wurden ihre Hände langsamer, sie sah einmal verstört auf und suchte dann weiter. Endlich schob sie den Kasten zurück und sagte: »Das verstehe ich nicht. Es ist keine Karte da!«
»Vielleicht unter einem anderen Namen?«
»Nein, er hat sich unter Coleman eingetragen, ich habe noch mit Dr. Brainard 28 darüber gesprochen. Es war doch so sonderbar…« Sie brach plötzlich ab, als ob sie zu viel gesagt hätte, aber ich drängte sie weiterzusprechen. Zögernd kam die ganze Story zum Vorschein.
Collin Coleman ließ sich von Dr. Brainard untersuchen und bat ihn, niemandem etwas von dem Besuch zu sagen. Als er wieder ging, war er sehr verstört und machte einen völlig erledigten Eindruck. Aber bevor Miss Hackett den Arzt nach dem neuen Patienten fragen konnte, flog plötzlich die Tür auf, und ein riesenhafter Mann kam hereingestapft. Er stellte sich nicht vor, aber nach der Beschreibung konnte es nur Dickson Hadley sein. Er raste ohne anzuklopfen in das Sprechzimmer von Dr. Brainard und redete eine halbe Stunde auf den Doc ein. Dann verschwand er und kam nach kurzer Zeit wieder zurück. Als er weg war, versuchte Miss Hackett mit dem Arzt über die beiden zu sprechen, aber er verweigerte jede Auskunft, gab nur zerstreute Antworten und sagte dann, dass er am nächsten Tag in Urlaub fahren wollte.
»Was, glauben Sie, war die Krankheit von Collin Coleman?«
»Ich weiß es nicht.«
Die Antwort kam zu schnell, als dass sie wahr gewesen sein könnte.
»Es handelt sich um ein schweres Verbrechen, Miss Hackett, und ich vermute, dass die Krankheit von Collin eine große Rolle bei der Aufklärung spielt. Hängt seine Krankheit mit seiner Stimme zusammen? Kann er nicht mehr lange singen?«
Sie sah mich erschrocken an. Ich erkannte, dass ich auf dem richtigen Weg war.
»Ich weiß nichts«, murmelte sie und stand auf, um zu dem Fenster hinüberzugehen.
»Wie lange kann er noch singen?«
Sie schwieg.
»Wie lange wollte Brainard wegbleiben?«
»Ich weiß es nicht, aber er sagte etwas von vier Wochen. Mein Gott, das wäre ja dann…« Sie brach ab und hob die Hand vor den Mund. Ihre Augen waren weit aufgerissen und starrten mich entsetzt an. Ich rannte los.
***
Schon, als ich über die Straße kam, sah ich den Aufruhr vor der Ecke der Fifth Avenue. Mir }ief ein kalter Schauer über den Rücken, als ich weiterhastete. Ich bog um die Ecke und sah die schwarze Menschentraube vor dem Universal Turm. Blitzlichter flammten auf, Sirenen kreischten, Autobremsen quietschten. Ich sah das Rotlicht, einen FBI-Wagen, der um die Ecke preschte, und jagte hinüber. Ich drängte mich durch die Menschenmasse und zeigte an der Absperrung meinen Stern. Dann raste ich mit langen Schritten durch das leere Treppenhaus in den vierten Stock hinauf.
Er lag halb gegen die Wand gelehnt im Waschraum.
Der weiße Kachelboden war mit seinem hellroten Blut bedeckt,‘das in immer neuen, allmählich schwächer werdenden Strömen herausgepulst kam. Der Doc war schon bei ihm. Atemlos blieb ich bei ihm stehen. Der Doc richtete sich auf und schüttelte den Kopf: »Er ist tot. Kann nicht lange gedauert haben. Er hat sich die Pulsadern aufgeschnitten!«
Ich sah erst jetzt die Rasierklinge und die Kreuzschnitte an seinen Handgelenken.
Ich wandte mich an Phil und den Cop, den ich in das Studio geschickt hatte. Phil reichte mir einen Zettel, das heißt, es war ein
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