0427 - Zurück aus dem Grab
Totenstill.
Natürlich! sagte ihr ihr Verstand. Auf einem Friedhof ist es immer totenstill!
Aber sie wußte, daß dem nicht so war. Zumindest nicht hier. Hinter der Fassade der Stille verbarg sich der Schrecken.
Langsam schritt sie auf die beiden nebeneinander stehenden Autos zu. Den weißen Wagen kannte sie nicht. Ein fremder Kühlergrill. Es mußte ein ausländisches Fabrikat sein.
Da sah sie die Frau vor der Haustür.
War das jene Stygia Knight?
Natürlich. Sie mußte es sein, jene Frau, die Anspruch auf dieses Haus des wohl ausgestorbenen Palance-Clans erhob.
Was bedeutete das alles? Obwohl an sich recht selbstbewußt, fürchtete sich Laura plötzlich davor, dieser Stygia Knight zu begegnen, und sie hätte liebend gern Will Ransome an ihrer Seite gehabt…
Aber der war im Haus verschwunden…
***
Unwillkürlich zuckte Zamorra zusammen. Das Licht war für seine Begriffe zu hell. Fast schattenlos leuchtete es den Korridor aus.
Überall lag Staub. Auf den wenigen Einrichtungsgegenständen, auf der Lampe, auf den Türklinken, dem Teppich… hier war jahrelang nicht mehr geputzt und gewischt worden. Langsam bewegte Zamorra sich ins Innere. Er wandte sich kurz um, sah Nicole draußen stehen und nickte ihr zu. Sie verstand. Draußen abwarten was weiter geschah…
Er sah Spuren.
Seine eigenen im Staub. Aber außer ihm mußte noch jemand hier gewesen sein. Fußspuren, die seiner eigenen Schuhgröße glichen, führten vier, fünf Schritte weit — und rissen dann einfach ab.
»Potzblitz«, entfuhr es ihm. Er machte Nicole auf seine Beobachtung aufmerksam.
»Entweder ist hier noch jemand verschwunden, oder die Leute bei der Fernsehsendung haben sich vertan oder die Zuschauer bewußt irregeführt. Fußspuren können ja nicht einfach im Nichts enden, und so exakt in seiner eigenen Spur zurückgehen kann auch keiner, daß man’s nicht merkt…«
»Sei vorsichtig«, warnte Nicole. »Ich möchte nicht, daß es dich auch erwischt.«
»Merlins Stern zeigt nichts an«, gab Zamorra zurück.
»Ja und? Auf Meeghs hat er auch nie reagiert… und auch nicht auf Dhyarra-Magie! Falls die Ewigen hier also eine Falle vorbereitet haben…«
Zamorra winkte ab. Er ging langsam weiter. Am Ende des Korridors war das Fenster von Rolländen verschlossen, daher die Dunkelheit. Die Deckenlampe strahlte immer noch zu hell; er konnte sich seltsamerweise nicht an diese Lichtflut gewöhnen. Nacheinander berührte er Türklinken und versuchte, einen Blick in die diversen Zimmer zu werfen. Sie waren alle voll möbliert, aber menschenleer.
Das Haus war verlassen.
Dennoch wurde Zamorra ein ungutes Gefühl nicht los.
»Ich sehe mich mal in der nächsten Etage um und auf dem Dachboden«, verkündete er und stieg die Treppe hinauf.
»Paß auf«, glaubte Nicole ihn abermals warnen zu müssen. »In mehr als der Hälfte aller schlechten Horror-Romane lauert das Böse auf dem Dachboden. Speziell in amerikanischen Romanen.«
Zamorra grinste. »Ich passe schon auf«, versprach er.
Das Obergeschoß war ebenso leer wie das untere. Nur waren hier die Rolläden geöffnet. Aber die Fensterscheiben hätten es verdient, zwischendurch einmal wieder geputzt zu werden. Selbst Zamorra, dem jegliches Hausfrau-Gefühl abging, registrierte den Staub und den Schmutz überdeutlich.
Aber wo niemand wohnte, konnte auch niemand sauber machen.
Inzwischen ging es ihm längst nicht mehr darum, einen Bewohner dieses Hauses zu entdecken. Schon seit dem Moment nicht, in welchem er die Staubschicht und die abbrechende Spur entdeckt hatte. Dieses Verschwinden eines Menschen gab ihm Rätsel auf, weil Merlins Stern keine magische Kraftquelle registrierte, aber gerade das Ungewöhnliche, das für das Verschwinden eines Menschen verantwortlich war, wollte er aufspüren.
Seine Wachsamkeit und Vorsicht ließen nicht nach.
Aufmerksam stieg er die Treppe zum Dachboden hinauf…
***
»Stygia Knight?« vernahm Nicole die Stimme, ehe sie die Schritte hörte. Sie fuhr herum. Wieso hatte sie die Annäherung der fremden Frau nicht gehört? Hatte sie sich zu sehr auf Zamorra konzentriert und darüber ihre Umgebung vernachlässigt?
Die beiden Frauen musterten sich.
Sie waren etwa gleichaltrig. Die eine in einem dunklen Kostüm, mit etwas zerschrammten Beinen und Flecken auf der Kleidung, die andere in engem T-Shirt und Jeans, der herrschenden Temparatur damit schon eher angepaßt.
Nicole hob die Brauen. »Mein Name ist Nicole Duval«, sagte sie.
»Ich bin Laura Edwards«,
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