0428 - Der Todes-Tresor
und der Kleidung. Er rannte für einige Sekunden neben dem Wagen her. Dann schlug er einen Haken quer über den Bürgersteig in Richtung auf eine der Treppen für die Fußgänger.
Ich trat den Gashebel ganz durch. Der Mercury schoß nach vorn. Ich wußte, daß ich Levin jetzt fassen konnte. Ich erreichte die Treppe, als er gerade den ersten Lauf hinuntergerast war. Ich stemmte den Fuß auf die Bremse. Die Reifen jaulten. Meine linke Hand faßte schon nach dem Türgriff, als mein Blick noch einmal auf den blauen Lieferwagen fiel. Der verdammte Schlitten rollte die Schräge der Abfahrt hinunter. Seine Geschwindigkeit wuchs mit jeder Sekunde, und die Tatsache, daß er auf einer völlig freien Bahn rollte, ließ befürchten, daß er eine hohe Geschwindigkeit erreichte, bevor er aus der Geraden geriet und irgendwo aufknallte.
Ich wechselte von der Bremse zum Gashebel hinüber, und ich trat mit solcher Wucht zu, daß das Bodenbrett knackte.
Ich erreichte den Laster, der zu schlingern begann, aber noch in der Geraden blieb. Ich überholte ihn, und im Vorbeizischen erkannte ich ah meinem eigenen Tachometer, daß er es inzwischen auf rund fünfzig Meilen gebracht haben mußte. Zuviel, um sich einen Zusammenstoß mit dem Schlitten leisten zu können.
Ich überlegte, wie ich ihm seine Geschwindigkeit nehmen konnte. Es gibt die heroische Geschichte des Lokomotivführers, der einen wildgewordenen D-Zug dadurch zum Halten bringt, daß er ihn mit seinem Güterzug abfängt. Ich habe die Story immer für ein Gerücht gehalten. Immerhin scheint mir das Verfahren bei Schienenfahrzeugen möglich. Bei Autos mußte es dazu führen, daß der gestoppte Wagen nach irgendeiner Seite ausbrach.
So sehr ich mir in den Sekunden, da ich den schlingernden Laster im Rückspiegel sah, auch den Kopf zerbrach, mir fiel keine bessere Methode ein als der Lokomotivführertrick. In rund dreihundert Yard bog die Brückenabfahrt in einer Kurve in die Vemon-Street ein. Spätestens an dieser Stelle würde ein Unglück geschehen, in das unschuldige, unbeteiligte Menschen verwickelt werden mußten. Ich nahm den Fuß vom Gas und setzte ihn mit einer geradezu andächtigen Bewegung auf die Bremse. Ganz sanft senkte ich ihn. Im Rückspiegel wuchs die flache Schnauze des Lasters heran, bis sie den ganzen Spiegel ausfüllte. Wenige Sekunden später fühlte ich den ersten sanften Stoß. Ich trat die Bremse weich, aber voll durch.
Auf diese Weise übertrug sich die Fahrenergie beider Fahrzeuge für wenige Sekunden voll auf meine Bremsen, etwa so, als zöge ich einen Anhänger ohne Eigenbremsen. Natürlich funktionierte diese Art der Bremsung ohne starre Verbindung zwischen beiden Wagen nur für zwei Sekunden. Dann brach, wie erwartet, der VW-Laster aus. Immerhin hatte er fünfzehn oder zwanzig Stundenmeilen an Geschwindigkeit verloren. Er raste nach rechts auf den Fußgängersteig zu, übersprang mit einem Satz die Bordsteinkante. Der Anstoß gab ihm noch einmal eine andere Richtung. Er streifte das Brückengeländer mit der vollen Breitseite und riß sich die rechte Flanke auf. Das gemarterte Blech kreischte wie ein lebendiges Wesen. Die Windschutzscheiben und die Seitenfenster flogen heraus. Der Laster nahm Kurs auf die Fahrbahn zurück, aber eine Strebe des Brückenpfeilers stand ihm im Wege. An ihr zerschlug er sich die Vorderfront.
Ich sah im Rückspiegel, wie das Blech zerknitterte. Der Wagen machte eine Bewegung, als wolle er den Pfeiler hinaufklettern, dann fiel er zurück. Knallend zerbrach eine Federung. Der VW-Laster blieb am Pfeiler kleben.
Ich brachte den Mercury weniger als zwanzig Yard von der Unfallstelle zum Stehen, sprang hinaus und lief zurück. Zwei Drittel des Wagens war nahezu unbeschädigt, abgesehen von der Aufschlitzung des Bleches auf der rechten Seite. Ich zerrte am Griff der seitlichen Ladetür, aber die Tür war verriegelt. Über das Führerhaus den Laderaum zu erreichen, war bei der nahezu restlosen Verknitterung des Fahrerraumes unmöglich.
Von der Queens-Seite her schoß auf der gesperrten Fahrbahn ein schwarzer Chevrolet heran. Er bremste hart neben mir. Meine Kollegen Rice und Patborn sprangen heraus.
»Wir sahen den Anprall!« rief Rice. »Können wir…«
»Levin türmte über die Fußgängertreppe. Versuch dein Glück, Rice! — Pat, hilf mir, den Laderaum aufzuknacken. Ich weiß nicht, in welchem Zustand sich der Junge befindet.«
Rice- und Patborn liefen zum Chevrolet. Während Rice den Wagen wieder anrollen ließ,
Weitere Kostenlose Bücher