043 - Das Beinhaus der Medusa
wollte, und es waren mehr oder weniger private Dinge, über die er mit
seiner charmanten, hübschen Gastgeberin plauderte.
Er fand es ganz natürlich, daß Inger Bornholm mit einemmal nicht mehr ihm
gegenübersaß – sondern genau neben ihm. Ihre Stimme klang verführerisch.
Danielsen hatte nicht ein einzigesmal das Gefühl, daß er derjenige war, der
ausgefragt wurde. Er redete mehr, als es gut war, und Inger Bornholm erfuhr auf
diese Weise auch von den Zweifeln, die Kommissar Berndson bezüglich des Todes Gunnar
Mjörks hegte. Berndson war noch nicht bereit, den Selbstmord einfach
hinzunehmen.
»Vielleicht gibt es einen eifersüchtigen Liebhaber, der ihm auflauerte, wer
weiß«, hatte er im Kommissariat zu Danielsen gesagt. »Irgendwie kommt mir die
ganze Sache nicht geheuer vor. Durch den Unfall des Autofahrers haben wir Mjörk
überhaupt erst gefunden. Kein Mensch wäre doch auf die Idee gekommen, da unten
nachzusehen. Der Tote wäre verfault, und in einigen Jahren hätte man vielleicht
ein paar blanke Knochen gefunden …«
Haakon Danielsen blieb länger als eine Stunde. Als er das Schloß verließ,
fühlte er sich eigenartig heiter und beschwingt, als hätte man ihm eine Droge
verabreicht. Aber auf diesen Gedanken kam er gar nicht. Sein Bewußtsein war
ausgefüllt mit ganz anderen Überlegungen. Er mußte ständig an die hübsche,
verlockende Inger denken. Und eine wehmütige Sehnsucht nach ihrer Nähe erfaßte
ihn. Er verspürte den Wunsch, wieder hierher zu kommen, nur um sie zu sehen.
»… kommen Sie bald mal wieder! Es muß ja nicht unbedingt dienstlich sein
…«, hörte Danielsen es wie ein Echo in sich nachklingen. Es war die Stimme
Inger Bornholms. Und er hatte ihr sogar darauf geantwortet.
»Ja! Warum eigentlich nicht?«
Es hörte sich hölzern und merkwürdig an. Aber ihm war das gar nicht so sehr
zu Bewußtsein gekommen.
Inger Bornholm sah ihrem Gast nach, wie er den Weg entlang ging und hinter
dem Buschwerk verschwand. Dann suchte sie den Raum auf, der ein Stockwerk höher
lag.
Die Vorhänge waren vorgezogen. Auf dem breiten Bett in dem Zimmer lag eine
blasse, schlafende Gestalt.
Elin Holtsen! Unmittelbar nach ihrer Ankunft hatte Inger Bornholm sie auf
dieses Zimmer gebracht. Die Verletzte hatte einen Schwächeanfall erlitten und
war danach in einen tiefen Schlaf gefallen. Sie war bisher nicht wieder zu sich
gekommen.
Seit zwei Tagen war Elin Holtsen ohne Besinnung …
●
Larry Brent drehte sich unruhig auf die Seite. Er hatte ein Geräusch
gehört. Die in tausend Gefahren geschulten Sinne des PSA-Agenten sprachen
sofort an.
X-RAY-3 öffnete die Augen und lauschte. Er lag allein in dem freundlichen
Zimmer, das Thor Haydaal ihm zur Verfügung gestellt hatte.
Das kleine, bungalowähnliche Backsteinhaus auf der winzigen Insel, die nur
wenige Kilometer von der Stadt Kjerringöy entfernt lag, gehörte dem ulkigen
Reporter, den Larry vor drei Wochen im Ferienhaus der Schwedin Morna Ulbrandson
alias X-GIRL-C kennengelernt hatte. Zu diesem Zeitpunkt schloß X-RAY-3 gerade
seinen Fall ab, der in Deutschland großen Wirbel entfacht hatte.
Nicht nur in Deutschland. Die Jagd nach dem Hexentöter war durch einige
skandinavische Länder gegangen. Dort waren die Taten des Unheimlichen auch
bekannt geworden. Thor Haydaal, dem Morna Ulbrandson das Leben rettete, hatte
sich von Malmö in Schweden aus auf den Weg nach Deutschland begeben, um das
wahre Geheimnis des Hexentöters zu ergründen.
In dem alten, aus dem tiefen Mittelalter stammenden Haus hatte er unter den
noch rauchenden Trümmern einige erstaunliche Dinge ans Tageslicht befördert,
die eine Gruppe von Spezialisten noch jetzt beschäftigte. Bis zur Stunde hatte
Thor Haydaal keine Zeile seines Sensationsberichtes veröffentlicht. Er wollte
erst das Ergebnis abwarten.
Aufgrund seiner Verletzungen war es X-RAY-3 gestattet worden, ein paar Tage
länger auszuspannen. Er nutzte diese Gelegenheit, sich Land und Leute in
Schweden und Norwegen anzuschauen. Die Einladung des Reporters, mit dem Larry
sich prächtig verstand, war gerade zum rechten Zeitpunkt erfolgt.
Viele angeregte Stunden hatten die beiden Männer schon gemeinsam verbracht.
Thor Haydaal, witzig, sympathisch, ein quirliger Bursche hatte jede freie
Minute genutzt, um dem Amerikaner sein Land von allen Seiten zu zeigen. Sie
waren die Paßstraßen gefahren, hatten die zahllosen Fjorde besucht und die zum
Teil winzigen Inseln, die dem langgestreckten Festland vorgelagert
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