043 - Das Beinhaus der Medusa
waren.
Diese Inseln waren nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen, die
hier ihre Ruhe suchten. Sie waren auch ebenso beliebt bei den Norwegern selbst.
Wenn einer das notwendige Kleingeld hatte, dann versuchte er hier ein
Wochenendgrundstück zu erstehen, auf dem er eine Blockhütte oder einen Bungalow
errichtete und so oft wie nur möglich hierher kam. Auf der kleinsten Insel
zumindest war man sicher, weder Eisenbahn noch Auto zu sehen und in völliger
Ruhe zu entspannen. Die anderen, größeren Inseln wurden von Fähren angefahren
und brachten auch Autos herüber. Hier gab es Straßen und Verkehrslärm wie
überall in der Welt.
Bis vor drei Tagen war Thor Haydaal praktisch nicht von der Seite des
Amerikaners gewichen. Zu diesem Zeitpunkt war Haydaal von einer eigenartigen
Unruhe erfüllt worden. Er bat Larry, sich in dem Wochenendbungalow wie zu Hause
zu fühlen und die Zeit der Ruhe und Entspannung noch zu genießen, ehe sein
allgewaltiger Chef X-RAY-1 ihn abrief und auf einen neuen Fall ansetzte.
Doch die Ruhe und Entspannung sollte für X-RAY-3 in dem Augenblick zu Ende
sein, als er das Geräusch vom nahen Ufer hörte.
●
Es war nicht das Knirschen im Sand, als das Boot aus dem Wasser gezogen
wurde. Es waren die schweren Schritte, das starke Atmen, das er vernahm, und
das Keuchen, dann ein leiser Zuruf.
Zwei Männer?
Larry Brent war sofort aus dem Bett. Er schlüpfte in Hemd und Hose, öffnete
leise die Tür und huschte auf Zehenspitzen aus dem Haus.
Auf dem hellen Sand erblickte er die beiden Männer, die eine große und
offenbar sehr schwere Kiste schleppten. Einer war der hagere Thor Haydaal. Die
viel zu weiten Hosenbeine schlackerten um seine dünnen Beine. Auf dem Kopf trug
er eine karierte Mütze. Die Lieblingsfarben Haydaals waren gelb und orange. Die
meisten Hemden von ihm hatten diese Farben, und sogar sein Auto, einen Buggy,
den er aus eigener Kraft aus einem ausgeschlachteten VW zusammengebastelt
hatte, war gelb angestrichen. Der knallgelbe Buggy war inzwischen zu einem
Mythos in dieser Gegend geworden.
Den zweiten Mann kannte X-RAY-3 nicht.
Angespannt stand er unter der unbeleuchteten Türöffnung und verhielt sich
still. Erst als Haydaal auf seiner Höhe war, machte Larry Brent sich bemerkbar.
»Haben Sie inzwischen Ihren Beruf gewechselt, Thor?«
fragte er halblaut. »Sind Sie unter die Toten- oder die Schatzgräber
gegangen?«
Thor Haydaal war nicht sonderlich überrascht, die Stimme des Amerikaners zu
hören.
Der Begleiter des Sensationsreporters allerdings zuckte zusammen. Er warf
einen erschreckten Blick auf den plötzlich wie aus dem Boden vor ihnen
emporgewachsenen Mann.
Doch die Reaktion Thor Haydaals beruhigte ihn.
»Vielleicht beides, Mister Brent«, erwiderte Haydaal ernst.
Der Unterton in seiner Stimme ließ Larry aufhorchen.
»Es ist die verrückteste Sache, hinter der ich jemals her war«, fuhr
Haydaal fort. Ein stummer Wink gab seinem Begleiter zu verstehen, daß sie erst
die Kiste in den vorbereiteten Schuppen schleppen mußten. Der niedrige Bau
schloß sich unmittelbar neben dem Ferienhaus an. In dem Schuppen standen
Werkzeuge und Geräte. Unbemerkt von Larry Brent mußte Thor Haydaal diese Dinge
in einer plötzlichen Aufräumungsaktion auf der Seite an den Wänden und den
bedrohlich überladenen Regalen einfach aufgestapelt haben.
Die Mitte des Schuppens war frei außer einem erhöhten Bock, auf den sie die
schwere Kisten stellten.
Larry folgte den beiden Männern in den Schuppen. Haydaal zündete eine
Stallaterne an und schloß das zweiteilige Tor.
Er und sein Begleiter waren ins Schwitzen geraten. Keuchend wischte der
Reporter sich die Schweißperlen von der Stirn.
»Ich bin einer ungeheuerlichen Sache auf der Spur«, sagte er rauh.
»Wann sind Sie das mal nicht, Thor? Das gehört zu Ihrem Beruf«, entgegnete
Larry Brent.
»Diesmal ist es etwas ganz anderes.« Haydaal starrte auf die mannsgroße,
grob zusammengezimmerte Kiste. »Wir müssen uns beeilen. Wir haben nur Zeit bis
zum Morgengrauen«, sagte er, sich seinem Begleiter zuwendend.
»Ich gehe zum Boot zurück und hole nur meine Tasche.« Der junge Begleiter
Haydaals verschwand.
Der Reporter schlug sich an die Stirn. »Entschuldigen Sie, Larry, daß ich
Sie beide nicht vorgestellt habe. Das war Leif Rudnik, ein junger Geologe. Leif
soll mir in dieser Nacht eine Untersuchung durchführen.«
Larry begriff noch immer nicht, worum es ging. Haydaal war verwirrt. Nur
mühsam konnte er
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