043 - Das Beinhaus der Medusa
steht …«
Wieder lag das geheimnisvolle, unergründliche Lächeln auf ihren
feuchtschimmernden Lippen.
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Das Polizeirevier in Kjerringöy erhielt von dem Kontrolleur des
Automobilclubs, der auf die Ankunft Bernt Lyngstads und Elin Holstens wartete,
den ersten Telefonanruf. Unmittelbar darauf meldete ein Lastwagenfahrer, daß er
auf der kurvenreichen Strecke, keine zehn Kilometer von Kjerringöy entfernt,
Spuren eines Unfalls gesehen hätte. Die Barrieren seien durchbrochen, das
Gelände neben der Straße aufgepflügt.
Er hätte sogar einen Blick das Steilufer hinabgeworfen, und es wäre ihm so
vorgekommen, als befände sich in der Tiefe ein dunkles Autowrack. Er könne sich
allerdings nicht festlegen, weil die Sicht infolge des herrschenden Nebels
nicht besonders gut sei.
Gab es einen Zusammenhang zwischen den beiden Meldungen?
Die beiden Beamten Svein und Leif, die mit dem Streifenwagen dorthin
beordert wurden, fürchteten das bereits.
Eine Rückfrage in Tana am Tana-Fjord hatte ergeben, daß der Zeitpunkt, den
der Kontrolleur in Kjerringöy angab, tatsächlich mit der Abfahrtszeit dort
übereinstimmte. Der Wagen Bernt Lyngstads war seit mehr als vier Stunden
überfällig. Von nirgendwo auf der Strecke zwischen Tana und Kjerringöy aber
hatte Lyngstad sich gemeldet, daß er vielleicht wegen einer Panne eine
Zwangspause einlegen mußte.
Die Vermutung, daß es zu einem Unfall gekommen war, lag nahe.
Die beiden Beamten fuhren mit dem Polizeifahrzeug zu dem angegebenen Punkt.
Sie registrierten die auffälligen Spuren.
Svein fuhr den Wagen dicht an den Straßenrand. »Hier muß einer aber ganz
schön aufs Gaspedal getreten haben«, murmelte er. Die beiden Beamten verließen
das Fahrzeug und suchten die Gegend ab. Sie kamen an das Steilufer. Der Nebel
war indessen etwas lichter geworden. Deutlich zeichnete sich in der Tiefe
zwischen den wellenumspülten Felsblöcken das zertrümmerte Fahrzeug ab.
Die beiden Männer sahen sich nur an. Leif warf einen Blick durch das
Fernglas.
»Da dürfte nicht mehr viel zu machen sein«, murmelte er dumpf. Der Wagen
war fast zweihundert Meter in die Tiefe gestürzt.
Über das Funkgerät gab einer der Polizisten seinen Bericht ab.
Von diesem Zeitpunkt ab dauerte es noch fast eine halbe Stunde, ehe die
Männer vom Rettungsdienst eintrafen. Die Bergung des in der Tiefe
zerschmetterten Wagen gestaltete sich zu einem Problem.
Hier konnte man nur mit einem Kran etwas machen.
Oder man mußte von der anderen Seite, von der vorgelagerten Insel her
kommen, und das Wrack an Bord eines kleinen Schiffes ziehen. Doch zuallererst
war es wichtig herauszufinden, wie die Insassen das furchtbare Unglück
überstanden hatten. Niemand allerdings glaubte daran.
Doch ehe der Wagen geborgen wurde, mußte man sich um die Insassen kümmern
und sie bergen. Zwei Männer des Rettungsdienstes wurden abgeseilt. Um die
Zurückgebliebenen auf dem Steilufer von ihrem Vorgehen zu unterrichten, hatten
sie tragbare Funkgeräte bei sich.
Die Männer kamen verhältnismäßig gut an das Wrack heran.
Bei der Untersuchung des zertrümmerten Autos stellte sich heraus, daß nur
eine Person im Fond des Wagens saß. Bernt Lyngstad, der Fahrer. Tot,
eingeklemmt. Man mußte ihn mit Brechstangen befreien.
Dann begann die Suche nach der Frau. Elin Holtsen, die Begleiterin und
Mitfahrerin des Chauffeurs, blieb aber wie vom Erdboden verschluckt.
»Sie muß herausgeschleudert worden sein«, sprach einer der Helfer die
Vermutung aus.
Man suchte die Umgebung ab. Sogar das Steilufer. Die Männer arbeiteten mit
Sonden auf dem Boden des Wassers, in unmittelbarer Nähe des Autowracks. Sie
fanden keine Elin Holtsen, dafür einen anderen Toten. Eine männliche Leiche.
Name und Herkunft waren zunächst noch unbekannt. Doch der Mann hatte ein
Messer in der Brust, und das sah eigentlich weniger nach einem Autounfall aus.
Dieser seltsame Umstand sorgte dafür, daß sich die Kriminalpolizei für den
Autounfall und mit allem, was damit zusammenhing, zu interessieren begann.
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Es war ein trüber, diesiger Tag, als Haakon Danielsen den schmalen Pfad zum
Schloß ging. Die Sonne hatte keine Kraft, den wolkenverhangenen Himmel zu
durchbrechen. Hinter den dunklen, kahlen Stämmen war schemenhaft im Nebel Inger
Bornholm abseits gelegenes, stilles Reich zu erkennen.
Der Mann stand nachdenklich vor dem geöffneten Tor.
Nervös öffnete und schloß er seine rechte Hand und besann sich einen
Augenblick, ob er das
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