043 - Der Mann von Marokko
wird die größte Sache, die wir je gemacht haben, Barny.«
Seit mehr als fünf Jahren war ›der Schwarze‹ die größte Sensation Londons. Er führte seinen Namen deshalb, weil er nur Kleider dieser Farbe trug. Kein Bankgewölbe und kein Stahlraum, kein Geldschrank war so sicher, daß ihn dieser kluge und geschickte Mann nicht hätte öffnen können. Seine Stärke bestand vor allem darin, daß er stets allein arbeitete. Er beschäftigte sich nur mit Bankdepots und hatte der Polizei bisher unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet.
Merkwürdigerweise wurde die Höhe der Summen, die der Schwarze erbeutete, niemals bekannt. Er plünderte nur Privatbanken, bei denen ›ehrenwerte Leute‹ ihre Depots hatten. Aber die dort verrohrten Dokumente konnten offenbar sehr unangenehm für ihren Ruf und ihre Stellung werden, wenn der Inhalt der Öffentlichkeit preisgegeben worden wäre. Manche versteckten auch ihr Vermögen dort und verloren dadurch die Zinsen, hatten aber die Gewißheit, ein größeres Vermögen zur Hand zu haben, wenn ihnen einmal der Boden in England zu heiß werden sollte. Natürlich sprachen diese Menschen wenig oder gar nicht über Verluste, häufig bestritten sie sogar, daß sie auch nur einen Schilling verloren hätten. Der Schwarze war allem Anschein nach ein großer Menschenkenner, denn alle seine Raubzüge waren wohlvorbereitet. Obwohl in den letzten fünf Jahren dreiundzwanzig Einbrüche zweifellos ihm zuzuschreiben waren, konnte man gegen ihn doch nicht die Anklage erheben, daß er eine bestimmte Summe gestohlen habe.
Um fünf Uhr nachmittags begab sich Mr. Marborne nach Grosvenor Place Nr. 307, wo Ralph Hamons Londoner Wohnung lag. Hamon war dabei, Briefe zu schreiben, als der Diener den Beamten in das Arbeitszimmer führte. Er begrüßte den Besucher zuvorkommend.
»Treten Sie doch bitte näher, Marborne, ich freue mich sehr, Sie zu sehen - haben Sie meinen Brief erhalten?«
»Ja, heute morgen.« Der Detektiv setzte sich. »Sie haben dreitausend Pfund verloren? Hoffentlich haben Sie sich die Nummern der Scheine notiert?«
»Selbstverständlich! Aber Sie wissen selbst, wie leicht es ist, gestohlenes Geld unterzubringen. Und wenn man es mit einem so gerissenen Burschen zu tun hat, braucht man sich keine Hoffnung zu machen, ihn durch diesen alten Trick zu fangen.«
»Sind Sie denn sicher, daß es tatsächlich der Schwarze war?«
»Ja, natürlich. Aber ich habe keine Beweise gegen ihn, nur einen Verdacht. Wir müssen auf unseren Plan zurückkommen, von dem ich Ihnen schon vor einem Monat erzählte.«
»Es ist aber eine verdammt schwierige Sache, eine Klage aufzubauen. Das wird eine ziemliche Summe kosten, Mr. Hamon. Ich habe es mir nach allen Richtungen hin überlegt, und obwohl ich die geeigneten Leute an der Hand habe, sind die Ausgaben doch größer, als die Geschichte vielleicht wert ist.«
»Ich riskiere selbst eine große Summe«, erwiderte Hamon erregt. »Die Hauptsache ist, daß wir ihn fassen. Er hält sich augenblicklich in London auf, aber das wird Ihnen ja bekannt sein.«
»Ich habe ihn, soweit es möglich war, beobachten lassen. Sergeant Slone ist hinter ihm her. Aber es ist nicht so einfach, wie Sie es sich denken. Nach unseren Dienstvorschriften können wir einen Mann nicht von Beamten beobachten lassen, wenn nicht eine offizielle Anzeige gegen ihn erstattet ist. Slone kann sich daher nur in seiner freien Zeit mit ihm beschäftigen.«
»Ich zahle ja auch gut«, entgegnete Hamon etwas ungeduldig. »Haben Sie denn wenigstens einen Plan ausgearbeitet?«
»Ja. In Blackheath steht ein Haus«, begann der Inspektor, »das einem früheren Kolonialbeamten gehört. Er wohnt mit seiner Frau, seiner Tochter und drei Dienstboten dort, ist sehr reich und hat eine wunderbare Sammlung alter Juwelen. Ich habe nun einen Mann an der Hand, der in fünf Minuten in der Wohnung sein und alle Schränke aufbrechen kann. Es wird nicht so leicht sein, die Juwelen zu bekommen, weil sie in einem starken Safe eingeschlossen sind. Aber damit brauchen wir uns ja auch gar nicht abzugeben. Die schwierige Sache ist nur, wie wir den Schwarzen zu dem Haus oder möglichst in das Haus bringen. Alle Alibis, die er etwa vorbringen könnte, müssen wir von vornherein ausschalten. Es ist vollständig zwecklos, ihn wegen eines Einbruchs in Blackheath zu verhaften, wenn er nachher beweisen kann, daß er zur selben Zeit in seinem Klub saß.«
»Können Sie denn überhaupt veranlassen, daß er nach Blackheath kommt?«
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