043 - Der Mann von Marokko
freundlich von Ihnen, Miss Smith«, erwiderte er liebenswürdig. »Ich erkenne die gute Absicht, die hinter Ihrer Bitte steht. Aber ich muß meinen eigenen Weg gehen, denn nur so kann ich Genugtuung und Zufriedenheit im Leben erreichen.
Ich möchte Sie jetzt auch bitten, nach Hause zu gehen. Sie halten sich schon viel zu lange in der Gesellschaft eines Verbrechers auf. Wohnen Sie zur Zeit in London?«
»Ja, ich wohne - ich meine, ich bin hier bei Freunden«, sagte sie etwas verwirrt.
Er zahlte, und sie verließen zusammen das Restaurant.
20
Ralph Hamon betrieb mancherlei Geschäfte und war an vielen Projekten beteiligt. Das hohe Bürogebäude mit der schmalen Front, in dem seine Unternehmungen untergebracht waren, hieß das Marokko-Haus, denn die Interessen Mr. Hamons hatten hauptsächlich mit diesem Land zu tun.
Aufgeregt ging er durch die Räume. Er wir nicht im Gericht gewesen; er hielt es für besser, sich dort nicht sehen zu lassen. Dagegen hatte er den Ausgang des Prozesses im Klub erwartet. Das ›Nicht schuldig‹ hatte seine Wut zur Weißglut gebracht.
Marborne hatte ihm allerdings schon vorher mitgeteilt, daß der Prozeß nicht nach Wunsch gehe und man mit Überraschungen rechnen müsse. Aber Hamons Meinung nach stand eine Verurteilung außer allem Zweifel, und er war seiner Sache so sicher, daß er einen Freispruch Morlakes überhaupt nicht bedacht hatte. Und nun sah er sich plötzlich dieser schrecklichen Tatsache gegenüber. -Jim Morlake war frei, der alte Kampf begann von neuem. Solange Morlake auf freiem Fuß war, blieb Hamon bedroht.
Mr. Hamons Privatbüro ähnelte in gewisser Weise einem Boudoir. Dicke Teppiche bedeckten den Boden, bequeme, gespolsterte Möbel standen umher, und ein schwacher Duft von Weihrauch und Zedern schwebte in der Luft. Er schob den Stoß Briefe, den ihm ein Sekretär brachte, beiseite und schickte den Mann mit einem Fluch fort.
»Es sind drei Telegramme von Sadi angekommen«, sagte der Angestellte und blieb in der Tür stehen.
»Bringen Sie sie sofort her«, brummte Hamon. Er entzifferte sie mit Hilfe eines Notizbuches, das er aus der Tasche zog. Offensichtlich wurde seine Stimmung dadurch nicht besser, denn er saß zusammengekauert und hatte die Hände tief in die Hosentaschen vergraben. Schließlich griff er nach dem Telefonhörer und rief seine Wohnung am Grosvenor Place an.
»Sagen Sie Miss Lydia, daß ich sie sprechen möchte.« Nach einer geraumen Weile hörte er ihre Stimme. »Stelle den Apparat nach meinem Arbeitszimmer um«, bat er leise. »Ich muß eine private Sache mit dir besprechen. Morlake ist freigekommen.«
»Ach, wirklich?« fragte sie gleichgültig.
»Höre auf mit deinem ›Ach, wirklich‹« fuhr er sie an. »Stelle das Telefon um.«
Er hörte ein Knacken, danach waren sie wieder verbunden. »Was gibt es denn, Ralph? Ist es so schlimm, daß Morlake freigekommen ist?«
»Das ist das Schlimmste, was überhaupt passieren konnte. Jetzt mußt du dein Heil mit ihm versuchen, Lydia. Aus deiner Reise nach Karlsbad kann nichts werden. Wahrscheinlich muß ich nach Tanger gehen, und du mußt mich begleiten.«
Er hörte ihren betroffenen Ausruf und grinste.
»Du hast mir doch versprochen, daß ich nie mehr dorthin brauche«, beklagte sie sich. »Ralph, ist das wirklich nötig? Ich will ja gern alles tun, was du von mir verlangst, aber bringe mich nicht wieder in dieses schreckliche Haus.«
»Wir werden sehen - warte auf mich; in einer halben Stunde bin ich zu Hause.«
Er legte den Hörer auf, sah rasch die Korrespondenz durch und wollte gerade dem Sekretär klingeln, als der geschäftige und überarbeitete Mann schon in der Tür erschien.
»Ich kann niemand empfangen«, sagte Hamon schnell, als er eine Visitenkarte in seiner Hand sah.
»Aber er sagt -«
»Das ist mir ganz gleich, was er sagt - Sie hören doch, ich kann niemand empfangen. Wer ist es denn?«
Schnell nahm er die Karte und las. Captain Julius Welling von der Kriminalpolizei!
Ralph Hamon biß sich auf die Lippen. Er hatte von Welling gehört und wurde nervös.
»Lassen Sie ihn hereinkommen«, sagte er kurz.
Hamon war erstaunt, als er diesen Mann mit dem milden Gesicht vor sich sah, dem die weißen Haare ein freundliches, wohlwollendes Aussehen gaben. Der Beamte ging ein klein wenig vornübergeneigt und war sehr höflich.
»Bitte, nehmen Sie Platz, Captain Welling. Was wünschen Sie von mir?«
»Ich kam hier vorbei und dachte, daß ich einmal mit Ihnen sprechen könnte«, sagte
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