0430 - Vampir-Geschwister
wurde.
Der Küster dachte an nichts Böses. Noch nie war ihm etwas Widriges auf seinen nächtlichen Heimfahrten passiert. Nur einmal hatten ihn Jugendliche erschreckt, als sie eine Fanfarenhupe aufklingen ließen. So plötzlich, daß es den Küster fast aus dem Sattel geworfen hätte.
An Vampire, Monster oder ähnliche Wesen dachte er natürlich nicht. Er glaubte auch nicht daran und hielt Leute, die ihm so etwas unter die Weste schieben wollten, für Spinner.
Er sollte sich irren.
Sie lauerten schon.
Es war die weibliche Blutsaugerin, die ihre Kraft besser eingeteilt hatte.
Der Earl lag im Schmutzwasser des Grabens. Vampire brauchen nicht zu atmen, die Geräusche, die über seine Lippen flössen, erinnerten jedoch an das hastige Atmen eines erschöpften Menschen. Manchmal hob er den Arm, um ihn sofort wieder sinken zu lassen. Die Hand traf jedesmal mit einem klatschenden Laut auf die Wasserfläche auf.
»Laß das sein! Du störst nur!«
»Willst du es allein machen?«
Margot drehte den Kopf. Sie sah das leichenblasse Gesicht ihres Bruders dicht über der Wasserfläche, als wäre es dort festgeklebt gewesen. »Ja, ich mache es allein.«
Für einen Moment leuchteten seine Augen auf. »Läßt du mir etwas von dem Blut übrig?«
»Natürlich.« Sie grinste scharf und bissig. Dann wurde es Zeit, sich wieder der Straße zuzuwenden - und aus dem Graben zu steigen, denn das Licht war schon sehr nahe.
Sie kletterte auf Händen und Füßen hoch. Als sie den Rand erreicht hatte, richtete sie sich auf, ging einen Schritt vor, stand plötzlich im bleichen Lichtstrahl der Lampe und mußte auf den Küster gewirkt haben wie der Teufel persönlich.
Er sah die bleiche Gestalt, die ihre Arme hochgerissen hatte, ein Schrei löste sich aus seinem Mund, er glaubte plötzlich an Gespenster und trat voll in den Rücktritt.
Das Rad bremste ab, aber das Hinterrad rutschte weg. Hart prallte er gegen die Gestalt, die aber durch ihre Standfestigkeit dafür sorgte, daß er mitten auf die Fahrbahn geschleudert wurde.
Mit der Schulter schlug der Küster auf. Er konnte einen Schmerzensschrei nicht unterdrücken. Es war ihm nicht mehr möglich, den linken Arm zu bewegen, das Stechen drang bis in die Fingerspitzen vor, und es wurde noch schlimmer, als er sich auf die andere Seite rollte und den Arm zwangsläufig für einen Moment belasten mußte.
Auf die Füße kam er nicht mehr. Auf einmal war da jemand über ihm, diese gespensterhafte Gestalt, die ihn vom Rad geschleudert hatte, wie er annahm, und er roch den unheimlichen und ekelerregenden Gestank, den sie ausströmte.
Moder, Leichen und Verwesung…
Und da waren die Hände.
Lang, dabei bleich wie fleischlose Knochen. Sie griffen zu, wühlten in seinen Haaren, hoben den Kopf an, stießen ihn wieder zurück, so daß die Schmerzwellen diesmal durch den Schädel rasten und er die im Arm vergaß.
Er wurde nicht bewußtlos, aber er erlebte die weiteren Vorgänge nur wie durch einen Schleier.
Die Klauenfinger waren kalt, an einigen Stellen naß oder feucht, ansonsten trocken. Sie umfaßten seinen Jackenkragen, der so eng saß, daß es der Gestalt ohne weiteres gelang, ihn über die Straße in Richtung Graben zu ziehen.
Er hörte das Schleifen und eine krächzende, flüsternde Stimme. »Du hast ihn?«
»Ja.«
»Ich komme.«
»Nein, bleib da. Ich bringe ihn zu dir. Er lebt noch, aber bald wird er die Süße des Todes spüren, das kann ich dir versichern. Endlich - endlich ein Mensch…«
Der Küster wußte, daß von ihm die Rede gewesen war, allein, er konnte es kaum glauben. Was er hier erlebte, war der nackte Wahnsinn, das würde ihm niemand glauben.
Und Margot zerrte ihr Opfer weiter. Sie hielt erst an, als der Kopf und die Schultern des Mannes auf dem weichen Rasen neben dem Straßengraben lagen.
Hier begann sie mit ihrer schrecklichen Arbeit. Mit beiden Händen riß sie den Jackenkragen so weit zur Seite, daß der Hals des Küsters frei lag.
Ein Hals mit kräftigen Adern unter der Haut.
Ideal…
Margot kniete neben dem Opfer. Ihre Augen waren groß geworden. Ein fast ehrfurchtsvolles Staunen lag darin, und sehr bedächtig zog sie die Lippen zurück, so daß ihre beiden Eckzähne hervorstachen.
Das Blut war zum Beißen nahe…
Wie seit unendlichen langen Zeiten nicht mehr.
Und sie stürzte sich auf ihn.
Erst in diesem Augenblick merkte Morgan Ball, in welch einer Gefahr er schwebte. Er wollte sich noch herumwälzen, aber die Vampirin war schneller.
Sie hielt ihn an
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